Risikofaktor Vitaminmangel
Gefäßwanddicke nach Folsäure-Behandlung günstiger ausfällt als nach reiner Placebo-Behandlung. Es ist also durchaus denkbar, dass auch bei bereits erkrankten Patienten noch positive Effekte entstehen.
Es wird viel darüber diskutiert, wie viel B-Vitamine wir brauchen. Genetische Einflüsse, Erkrankungen, Medikamente und vieles andere können den Vitaminbedarf erheblich steigern. Der Homocysteinspiegel ist hier sehr interessant. Ist er zu hoch, muss man nicht lange über Pro und Contra von Vitaminen diskutieren, sondern man kann schlicht feststellen: Hier langt die Zufuhr nicht. Fazit: Ernährungsgewohnheiten gründlich überarbeiten und eventuell Vitamine einnehmen.
Ja, Homocystein kann man messen als Kenngröße zur Beuteilung des Vitamin-B-Status und als Risikofaktor für diverse Erkrankungen. Homocystein lässt sich durch Folat und Vitamin B 12 sehr gut senken.
Wo sollte das Homocystein denn liegen?
Der Homocysteinwert beim Gesunden ohne Risikofaktor ist bis 12 micromol tolerierbar. Bei Menschen über 60 Jahren oder solchen mit Risikofaktoren sollte der Wert aber 10 micromol nicht überschreiten.
Berücksichtigen die Ärzte den Homocysteinspiegel?
Mehr Ärzte als vor 10 Jahren kennen die Bedeutung des Homocysteinspiegels. Aber wenige setzen dies therapeutisch um und senken diesen mit B-Vitaminen.
Das ist ja ähnlich bei der blutfettsenkenden Wirkung von Vitamin B 3 . Pharmafirmen predigten den Ärzten immer, dass Vitamin B 3 nicht wirkt. Deshalb kam es kaum zum Einsatz. Inzwischen werden aber die ersten Blutfettsenker zusammen mit Vitamin B 3 in einer Tablette kombiniert.
Ja, genau
Ein weiterer Schwerpunkt Ihrer Arbeit liegt auf dem Zusammenhang zwischen B-Vitaminen und dem geistigen Abbau – der Demenz – im Alter. Sind Ältere mit B 12 generell unterversorgt und lässt sich hier mit Vitaminen vorbeugen?
Sowohl als auch. Das Problem ist das Folgende: Bis zu 30% aller über 60-Jährigen entwickeln eine Gastritis. Es steigt der pH-Wert im Magen. Und dann ist es nicht mehr möglich, Vitamin B 12 aus der Eiweißbindung zu lösen und aufzunehmen. Auf diese Weise entwickeln viele einen Vitamin-B 12 -Mangel, selbst wenn sie B 12 mit der normalen Nahrungsaufnahme zuführen. Es macht daher viel Sinn, bei älteren Menschen Vitamin B 12 extra zuzuführen. Da sind sich die Fachleute einig.
In den USA wird inzwischen überlegt, neben der Folsäureanreicherung auch mit Vitamin B 12 anzureichern. Das macht Sinn. Denn Folsäure und B 12 sind gemeinsam am Homocystein-Stoffwechsel beteiligt. Und Älteren mangelt es häufig an beidem. Das führt zu erhöhten Homocysteinspiegeln, und diese sind verantwortlich für das Fortschreiten von Gefäßschäden, auch im Gehirn.
Und wie funktioniert das genau?
In der Folge kommt es zu Schäden an den kleinen Gefäßen im Gehirn. Das führt zu Minderdurchblutung, und das bedeutet auch eine verminderte Nährstoffversorgung. Dadurch kommt es zu Mikroinfarkten mit entsprechenden Leistungseinbußen geistiger Art. Diese Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit mit Ursprung im Gefäßsystem lässt sich nur schwer von den Einschränkungen durch Alzheimer unterscheiden. Offenbar gehen beide Prozesse parallel.
Außer Demenz spielen auch Depressionen bei Älteren eine große Rolle. B-Vitamin-Mangel und Nervenbotenstoffe hängen eng zusammen …
Die B-Vitamine sind direkt am Aufbau der Nervenbotenstoffe beteiligt. Außerdem sind die B-Vitamine für die Produktion von Cholin, Acetylcholin, also Bausteinen für Nervengewebe und Nervenleitung notwendig. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass bei einem Mangel entsprechende Ausfallerscheinungen beobachtet werden.
Welchen Einfluss haben B-Vitamine auf die Leistungsfähigkeit?
Wir untersuchen zur Zeit bei Sportlern, ob zusätzliche B-Vitamine zu einer Fitnesssteigerung führen. Da haben wir erste positive Ergebnisse veröffentlicht, die zeigen, dass dadurch eine Leistungs optimierung erzielt werden kann.
Wie kommt es, dass man in der Presse häufiger Negativschlagzeilen über Vitamine lesen kann als positive Nachrichten?
Da gibt es Erstaunliches zu beobachten, was selbst mich als neutralen Wissenschaftler verblüfft. Vor allem zu nennen ist die Geschwindigkeit, in der Vitamin-Studien, wenn sie denn einmal mit negativen Ergebnissen daherkommen, verbreitet werden. Zum Beispiel die NORVIT-Studie: Quasi sofort wurde dazu eine Pressekonferenz einberufen und gesagt, die Homocystein-Theorie sei tot. Zwei Tage
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