Riskante Enthüllung (German Edition)
war zu den Studenten zurückkehren und ich setzte mich wieder auf meinen Stuhl, in der Hoffnung nicht allzu lange auf Stevens warten zu müssen. Mein Magen knurrte und ich wollte mich endlich wieder auf den Rüc k weg machen.
Nachdem ich etwa zwanzig Minuten in Fachzeitschriften geblä t tert hatte, betrat endlich Stevens den Raum. Er machte einen m ü den und erhitzten Ei n druck, sicher hatte der Straßenverkehr ihm zugesetzt. Ich ging ihm entgegen und wir verließen das Gebäude.
„Ich verhungere“, gab er bekannt, als wir auf die Straße traten.
„Gleich um die Ecke kann man hervorragend Kebab essen“, eri n nerte ich mich und Stevens war nicht abgeneigt.
Wir ließen das Auto stehen und gingen das Stück zu Fuß. Auf dem Bü r gersteig herrschte Gedränge und ich hatte Mühe, Stevens nicht aus den Augen zu verlieren. Ein Gewirr von Menschen, fli e genden Händlern, bemalten Karren, Eseln und Kamelen, Hunden und Ka t zen schien uns zu verschlucken. Dunkel gewandete Frauen saßen auf dem Bordstein und unterhielten sich, während vor ihren Füßen der dichte Verkehr qualmend im Schritttempo vorbei lär m te.
Der Verstopfung, des Lärmes und Gestankes nach schlechter Abwasseren t sorgung zum Trotz, hatte sich der alte Teil der Stadt die Atmosphäre einer or i entalischen Welt bewahrt. Des Nachts erlebt faszinierte der altislamische Stil und versetzte einen in Tausendundeine Nacht, mit persischen Lampen, kleinen Springbru n nen und die durch filigrane Strukturen gebrochenen Lichter. Über Kairo lag der Halbmond wie eine Schale am Himmel und die Stadt trug den Stern, der das Wahrzeichen des Islams ist. Das moderne Gesicht, von heut i gen Baumeistern geplant und ungehindert ausgeführt, ist geprägt von Appartemen t häusern, Verwaltungsgebäuden, von denen es nie genug zu geben scheint, und einem Turm, in dem sich ein Restaurant wie ein Karussell dreht, was der Stadt sicher unbedingt gefehlt hat.
Schon immer ließen vergangene Herrscher die Gebäude der Vorherigen ve r fallen oder gar niederreißen, um sich ihre eigenen Denkmäler zu setzen, doch legten sie deutlich mehr Gespür für eine in sich z u sammenpassende und harmonische Architektur an den Tag. In me i nen geschichtlichen Studien war mir nie eine architektonisch rüc k sichtslosere Epoche begegnet wie die Jetzige, in der sich in fast allen Großstädten der Welt wunderschöne alte Gebä u de zwischen kalten, viel zu hoch in den Himmel schießende Gla s kästen zu behaupten vers u chen.
Vor dem kleinen Restaurant befanden sich Tische und Stühle u n ter großen Sonnenschirmen und wir fanden tatsächlich noch Platz. Ein Kellner nahm unsere Wünsche entgegen und ich bestellte eine Port i on Kebab, sowie eine Cola mit Eis. Stevens rümpfte die Nase.
„Warum stinkt diese Stadt so erbärmlich?“, fragte er. „In der Str a ße, in der ich den Koffer abholte, roch es, als wäre das gesamte Viertel eine öffentliche B e dürfnisanstalt.“
„Das ist in der Tat ein Problem“, sagte ich und schaute einem Händler nach, der versuchte , sein unwilliges Kamel durch Schläge gegen die Beine zum Weitergehen zu überreden. „Sämtliche Tour i stenattraktionen sind von Urin verseucht, weil die aufgestellten Toiletten lediglich Löcher im Sand verdecken, in denen alles vers i ckert und sich unterirdisch weitläufig ausbreitet.“
Er starrte mich ungläubig an. „Du meinst, die Pyramiden von Gizeh stinken nach Pisse?“ Ich musste über seine direkte Au s drucksweise lachen und nickte. „Auf die Dauer wird das sicher den alten Bauwerken schaden“, überlegte er und nippte an seinem Ei s wasser.
„Sie trotzten Naturgewalten wie Blitzeinschlägen, Erdbeben und sogar der Sintflut, werden aber letztendlich vor ätzenden menschlichen Hinterlassenscha f ten kapitulieren müssen.“
„Außerdem werden sie durch den sauren Regen von außen beschädigt“, e r gänzte Stevens.
Ich wechselte das deprimierende Thema, das mir erschöpfend behandelt e r schien und fragte Stevens, ob der Kasten über die richtige Ausstattung verfügte, was er bestätigen konnte. Max hatte darauf bestanden, dass er innen mit Schaumgummistücken ausg e legt war, in die sich die Pyramide passgenau einf ü gen ließ. Nur so sei sie sicher verpackt und würde beim Zoll den Eindruck erw e cken, als sei sie bereits in diesem Koffer käuflich erworben worden und b e gleitete Max schon immer auf seinen Reisen. Dennoch war ich froh, nicht diej e nige zu sein, die damit durch die
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