Riskante Geschäfte
Nazionale.« Dann lehnte er sich zurück und beobachtete das vorübersausende Band der Neonlichter. Alles, einschließlich des Taxis, ging fast zu schnell, als daß man sich hätte ruhig fühlen können. Aber beim Taxi ließ sich das ändern. Also beugte Bond sich zum Chauffeur und gebot ihm, langsamer zu fahren.
Der beste Zug von Rom nach Venedig ist der jeden Mittag abgehende Laguna-Expreß. Bond erwischte ihn nach einem
Vormittag voll schwieriger Gespräche mit der Londoner Zentrale gerade noch mit knapper Not. Sein Platz war neben dem Durchgang über einer Achse des hinteren Aluminiumwaggons, aber selbst wenn alle sieben Himmel draußen an den Fenstern vorbeigeflogen wären, Bond hätte kein Auge für sie gehabt. Er las in seinem ratternd geschüttelten Buch, verschüttete Chianti über das Tischtuch, bewegte immer wieder die langen, schmerzenden Beine und verfluchte dazu die Ferrovie Italiane dello Stato samt ihren zu niedrigen Sitzen.
Aber schließlich kam Mestre und damit der pfeilgerade Schienenfinger nach Venedig hinein! Und danach folgte der unvermeidliche Schock, den die Begegnung mit Venedigs Schönheit jedesmal auslöst, und dann die sanft schaukelnde Fahrt über den Canale Grande, mitten hinein in einen blutroten Sonnenuntergang und in das - angeblich - so unvergleichliche Vergnügen des besten Doppelzimmers im ersten Stock des Gritti Palace. An diesem Abend streute James Bond die Tausendlirescheine nur so um sich: zuerst in Vallombrosa in Harry's Bar, dann bei Florian und schließlich im ersten Stock des wunderbaren Quadri, um jedem, den es interessieren mochte, zu zeigen, daß er wirklich der Erfolgsschriftsteller war, der sich ein solches Leben leisten konnte. Dann, in jener eigentümlichen Beschwingtheit, wie sie am ersten Abend keinen Venedigbesucher verschont, so ernst und würdig seine Absichten auch sein mögen, begab James Bond sich ins Gritti zurück und schlief acht Stunden lang traumlos. Den Morgen brachte Bond damit zu, durch die Seitengassen zu schlendern, in der Hoffnung, dabei einen Beschatter zu entdecken. Sogar zwei Kirchen besuchte er auf diese Weise - aber niemand betrat den Haupteingang, noch ehe er den Raum durch den Seitenausgang verlassen hatte. Niemand folgte ihm. Also begab er sich zu Florian, nahm dort einen Americano und hörte zwei französischen Kultursnobs zu, wie sie sich über die mangelnde Harmonie der Markusplatz-Fassaden unterhielten. Einer plötzlichen Laune folgend, erstand er eine Ansichtskarte, adressierte sie an seine Sekretärin, die einmal mit den Gregorianern in Italien gewesen war und nie versäumte, das Bond gegenüber zu erwähnen, und schrieb: »Venedig ist wunderbar. War bis jetzt am Bahnhof und in der Börse. Ästhetisch überaus befriedigend. Heute nachmittag zu den Städtischen Wasserwerken und dann zu einem alten Brigitte-Bardot-Film im Scala. Kennen Sie dieses herrliche Lied >O Sole Mio S. romantisch w. alles hier. JB.«
Zufrieden mit seinem Einfall aß Bond zeitig zu Mittag und ging dann zurück in sein Hotel. Er schloß die Zimmertür ab, zog den Rock aus und kontrollierte seine Walther PPK. Dann sicherte er sie wieder, übte ein paarmal das schnelle Ziehen und steckte die Pistole wieder in den Halfter. Es war jetzt Zeit zu gehen. Er begab sich also zur Landungsbrücke und nahm den zwölf-vierziger Vaporetto nach Alberoni, das außer Sicht jenseits der spiegelnden Lagune lag. Auf einem der Bugplätze sitzend, fragte er sich gespannt, was der Nachmittag ihm wohl bringen würde.
Von der Mole in Alberoni, auf der Venedig zugekehrten Seite der Lidohalbinsel, sind es achthundert staubige Meter über die Landenge zu den Bagni Alberoni an der Adria. Eine merkwürdig verlassene Welt ist diese Spitze der berühmten Halbinsel. Zwei Kilometer weiter oben lösen sich die Luxusbesitze in verstreute Villen mit brüchigem Stuck auf, in bankrotte Bauprojekte, und es gibt nichts hier als das Fischerdörfchen Alberoni, ein Sanatorium für Studenten, eine verlassene Versuchsstation der italienischen Marine und einige dicht überwucherte Geschützstellungen aus dem letzten Krieg. Im Niemandsland dieser schmalen Landzunge liegt der LidoGolfplatz, dessen braunwellige Wege sich um die Ruinen einstiger Befestigungen winden. Es kommen nicht viele Leute nach Venedig, um Golf zu spielen. Aber der Platz ist von hohen Drahtgittern umgeben, die in Abständen, als läge etwas besonders Wert- oder Geheimnisvolles dahinter, drohende Vietatos und Proibitos tragen. Die
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