Riskante Geschäfte
für zwanzigtausend Pfund hinein.«
»Werden sie nie erwischt - beim Hereinbringen nach Mailand oder bei der Übernahme?«
»Oft genug! Aber es sind harte, gewitzte Burschen. Sie reden nie. Werden sie verurteilt, so bekommen sie für jedes Jahr Zuchthaus zehntausend Dollar. Auch für die Familien wird gesorgt. Und geht alles gut, so ist der Verdienst horrend. Es ist eine Kooperative, jeder einzelne bekommt seinen Anteil vom brutto. Nur der Chef erhält einen besonderen Anteil.«
»Gut. Und wer ist der Chef?«
Signor Kristatos führte die Hand an die Zigarre und sprach hinter ihr hervor. »Sie nennen ihn >Die Taubec, er heißt Enrico Colombo und ist Chef dieses Restaurants. Ich habe Sie hierhergebracht, damit Sie ihn sehen können. Dort, der Dicke neben der Blondine am Tisch bei der Kasse. Sie ist Wienerin und heißt Liesl Baum - eine Edelschlampe.«
Nachdenklich sagte Bond: »Ist sie das wirklich?« E brauchte nicht erst hinzusehen, denn sie war ihm schon bei seinem Eintritt aufgefallen. Auch wußte Bond, daß sie den ganzen Abend über immer wieder zu ihm herübergeblickt hatte. Ihr Begleiter war ganz der Typ des lebenslustigen, reichen, dem Wohlleben zugetanen Mannes, den sie sich zum zeitweiligen Liebhaber genommen hatte. Innerlich hatte Bond ihm zustimmen müssen, denn er mochte freundliche, lebenslustige Leute. Und wenn schon nicht er selbst das Mädchen haben konnte, so sah er sie zumindest gern in guten Händen. Aber jetzt? Bond blickte durch den Raum. Soeben lachten die beiden über etwas. Er tätschelte ihr die Wange, stand auf, trat durch die Tür des ufficio und schloß sie hinter sich. Das also war der Mann, der die große Pipeline nach England dirigierte! Der Mann, der für M hunderttausend Pfund wert war! Der Mann, den Kristatos beseitigt wissen wollte. Nun, es wurde Zeit, die
Dinge in Angriff zu nehmen. Bond begann, das Mädchen unverschämt anzustarren. Als sie den Kopf hob, lächelte er ihr zu. Ihr Blick glitt über ihn hin, aber auf ihren Lippen zeigte sich ein halbes Lächeln, und als sie nach einer Zigarette griff und sie anzündete, tat sie das so, daß Bond ihr Profil und ihre Halslinie bewundern konnte. Es wurde Zeit für das Abendgeschäft nach Kinoschluß. Der Ober beaufsichtigte das frische Aufdecken der unbesetzten Tische, das mit der üblichen Geschäftigkeit vollzogen wurde. Dabei wurde auch der freie Stuhl wieder von Bonds Tisch weggenommen und an einen benachbarten Sechsertisch gestellt. Und während Bond nun seine ins einzelne gehenden Fragen an Kristatos zu richten begann - Fragen nach den Gewohnheiten Enrico Colombos, nach seiner Wohn- und seiner Firmenadresse, nach seinen sonstigen Geschäftsinteressen
- bemerkte er nicht, wie der Extrastuhl von Tisch zu Tisch weiterwanderte, bis er schließlich hinter der mit ufficio bezeichneten Tür verschwand.
Als der Stuhl ins Büro gebracht wurde, bedeutete Enrico Colombo dem Ober, zu gehen, und schloß ab. Dann nahm er das Polster vom Sitz und legte es auf den Tisch. Er öffnete den Reißverschluß, zog ein Tonbandgerät hervor, stoppte es, ließ das Band zurücklaufen und regulierte die Lautstärke. Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch, zündete sich eine Zigarette an und hörte das Band ab, wobei er gelegentlich nachstellte oder manche Stelle ein zweites Mal abspielte. Als schließlich Bonds metallische Stimme »Ist sie das wirklich?« gesagt hatte, blieb es still bis auf die Geräusche des Lokals. Enrico Colombo stellte ab, blieb aber sitzen und starrte auf das Gerät. Seine Miene verriet scharfe Konzentration. Endlich blickte er auf und sagte leise: »So ein Schweinehund!« Langsam erhob er sich, trat zur Tür, schloß auf, warf noch einen Blick auf das Gerät, sagte nochmals »Schweinehund« und schritt dann hinaus, zurück an seinen Tisch.
Schnell und dringlich sprach er auf das Mädchen ein. Sie nickte und sah zu Bond hinüber, der sich soeben mit Kristatos zum Aufbruch anschickte. Mit tiefer, wütender Stimme sagte sie zu Colombo: »Sie sind vielleicht ein widerlicher Kerl! Aber man hat mich ja vor Ihnen gewarnt! Nur weil Sie mir in Ihrer dreckigen Bude ein Nachtessen spendieren, glauben Sie, mir beleidigende Vorschläge machen zu können!« Sie war immer lauter geworden. Jetzt raffte sie ihre Handtasche an sich und stand auf. Damit verstellte sie Bond den Weg zum Ausgang. Enrico Colombo lief vor Wut dunkelrot an. Auch er hatte sich erhoben. »Du verdammtes, österreichisches Luder!« schrie er. »Laß mein Land aus dem
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