Riskante Geschäfte
Sandhügel und das Gestrüpp rund um diese umzäunte Enklave sind noch nicht einmal von Minen geräumt, und so drohen zwischen verrostetem Stacheldraht die auf Holztafeln schablonierten Totenköpfe über den gekreuzten Knochen: MINE, PERICOLO DI MORTE! Die seltsame Melancholie dieser verlassenen Gegend steht in bedrückendem Kontrast zu der hektischen Karnevalswelt Venedigs, keine Stunde jenseits der Lagune.
Die achthundert Meter quer über die Halbinsel bis zum Strand hatten Bond zum Schwitzen gebracht. Unter den letzten Akazien des staubigen Wegs hielt er an, um sich abzukühlen und zu orientieren. Vor ihm, über windschiefem Holzportal, verkündete eine blaßblaue Aufschrift BAGNI ALBERONI, und dahinter standen reihenweise ebenso verfallene Holzkabinen. Von ihnen erstreckte sich ein hundert Meter breiter Sandstrand bis zum ruhigblauen Spiegel der See. Badegäste waren keine zu sehen, das Bad schien geschlossen zu sein. Als Bond aber den Torbogen durchschritten hatte, vernahm er neapolitanische Weisen aus einem Radio, das in der baufälligen Hütte mit den Coca-Cola- und sonstigen Getränkereklamen stehen mußte. Liegestühle lehnten an den Wänden, und auch zwei Pédalos sowie ein halbaufgeblasenes Kinderseepferd waren da. Das Ganze wirkte so vernachlässigt, daß ein Badebetrieb während der Hochsaison unvorstellbar schien. Bond trat von dem schmalen Laufbrett in den weichen, heißen Sand und ging hinter den Hütten über den Strand zum Ufer hinunter. Nach links dehnte sich der leere Sandstrand in leichtem Bogen gegen den Lido hin, verschwand aber bald im Dunst des heißen Herbsttages. Zur Rechten lagen achthundert Meter Strand, die in eine Hafenmauer an der Spitze der Halbinsel ausliefen. Die Mauer zeigte fingergleich in den schweigenden Spiegel der See hinaus und trug in Abständen die kleinen Derricks der Octopusfischer. Landeinwärts lagen die Sandhügel mit einem
Teil der Golfplatzeinfriedung, und an den Hügelausläufern, vielleicht fünfhundert Meter weiter vorn, schimmerte ein hellgelber Fleck. Längs der Wasserlinie steuerte Bond darauf zu. »Ähemm.«
Die Hände zuckten nach dem Bikinioberteil und zogen es hinauf.
Nun erst trat Bond in den Gesichtskreis des Mädchens. Nur ihr Kopf lag im Schirmschatten, der sonnenbraune Körper in schwarzem Bikini auf dem schwarzweiß gestreiften Badetuch war der Sonne ausgesetzt.
Durch halbgeschlossene Lider blickte sie zu ihm auf. »Sie sind um fünf Minuten zu früh dran. Außerdem hätten Sie klopfen sollen.«
Bond ließ sich neben ihr im Schatten des großen Sonnenschirms nieder, zog sein Taschentuch hervor und trocknete sich das Gesicht. »Zufällig besitzen Sie die einzige Palme in dieser Wüste, und ich hab mich beeilt, so rasch wie möglich in ihren Schatten zu kommen. Ein höllischer Platz für ein Rendezvous!« Sie lachte. »Ich mach's der Greta Garbo nach
- immer allein.«
»Sind wir das?«
Sie öffnete die Augen. »Warum nicht? Glauben Sie, ich brauche eine Anstandsdame?«
»Da aber doch alle Männer Schweine sind...«
»Sie sind nur ein Gentlemanschwein«, lachte sie. »Ein Lordschwein, wenn Sie wollen! Außerdem ist es dafür viel zu heiß und zu sandig, und wir haben ja nur eine geschäftliche Verabredung, nicht? Ich erzähl Ihnen was über Rauschgiftschmuggel, und Sie geben mir dafür einen BrillantenClip. Von Van Cleef! Oder haben Sie sich's anders überlegt?«
»Nein, nein, es bleibt schon dabei! Aber womit fangen wir an?«
»Sie fragen einfach drauflos. Was wollen Sie also wissen?«
Sie setzte sich auf und zog die Knie zwischen ihre Arme. Ihr Blick hatte jetzt nichts Flirtendes mehr, sondern war wach, ja sogar ein wenig argwöhnisch geworden. Bond merkte das. Er sah sie an und sagte so nebenbei: »Wie ich höre, soll Ihr Freund Colombo ein großer Mann in dieser Branche sein. Erzählen Sie mir von ihm. Er würde in meinem Buch eine gute Figur abgeben
- unter falschem Namen natürlich. Mir ist es ja nur um die Details zu tun - wie er arbeitet und so weiter. So etwas läßt sich nicht erfinden.«
Ihr Blick verschleierte sich. »Enrico wäre sehr böse, wenn er von unserem Gespräch wüßte«, sagte sie. »Ich weiß nicht, was er mir antäte.«
»Er wird es nie erfahren.«
Sie sah ihn ernst an. »Mein lieber Mr. Bond, es gibt sehr wenig, was Enrico nicht erfährt! Und er ist gewiß imstande, auf eine bloße Vermutung hin zu handeln. Es würde mich gar nicht wundern« - sie blickte verstohlen auf die Uhr -, »wenn er mich hierher hätte
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