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Riskante Liebe

Riskante Liebe

Titel: Riskante Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cara Enders
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bekamen einen wehmütigen Ausdruck.
    »Ich sehe mir sehr gerne Stücke an, in denen gesungen wird. Die nennt man Opern. Meist geht es darin um Liebe und Leidenschaft. In San Francisco gibt es ein großes Haus, wo man diese Opern aufführt. Und die Leute, die da rin mitspielen, müssen ihre Rollen nicht nur spielen, sondern alles, was normalerweise gesprochen wird, singen. Sie üben jahrelang und nur die Besten von ihnen dürfen dort auftreten. Manche haben so schöne Stimmen, dass ich ihnen ewig zuhören könnte. Singt ihr eigentlich bei euch im Dorf nicht?«
    Eine längst verdrängte Episode kam mir in den Sinn. Unsere Töpferin, eine kleine rundliche Person namens Delea, die immer ein lustiges Funkeln in ihren Augen gehabt hatte, war sehr geschickt darin gewesen, Gefäße aus gebranntem Lehm herzustellen. Ihr ging das Formen von Krügen, Bechern oder Schalen rasch von der Hand. Wie alle von uns arbeitete sie, wenn es das Wetter zuließ, auf dem Dorfplatz, wo sich die meisten von uns tagsüber aufhielten. Ich war damals noch ein sehr junges Mädchen gewesen und erst seit kurzem von Jolaria aufgenommen worden. Sie hatte mich zu diesem Platz geschickt, um Delea eine aus Tierfett und Kräutern hergestellte Salbe zu bringen.
    Delea hatte sich beim Brennen ihrer Gefäße eine Wunde auf ihrem Arm zugezogen, die nicht richtig heilen wollte. Als ich mich der Stelle näherte, wo Delea hockte und arbeitete, beobachtete ich bewundernd die Form eines Krugs, die wie durch Zauberei aus einem nassen Klumpen Dreck unter ihren Fingern entstand und hörte sie dabei unbekümmert singen. In klaren melodischen Tönen summte sie selbstvergessen und laut vor sich hin. Vor ihr aufgereiht stand eine Reihe von kunstvoll geformten Bechern, die sie mit gleichmäßig eingeschnittenen Strichen verziert hatte und noch brennen musste. Fasziniert lauschte ich ihrer reinen, süßen Stimme und bemerkte, dass auch die anderen ihre Hände ruhen ließen und verstohlen zuhörten. Delea war so in ihre Arbeit und das Singen vertieft, dass sie, wie ich auch, Seratta, die ganz plötzlich hinter mir auftauchte, nicht rechtzeitig bemerkte.
    Erschrocken drehte ich mich zu ihr um, als ic h ihre momentan beinahe freundlich klingende Stimme vernahm:
    »Macht dir deine Arbeit Spaß, Delea?«
Sie und ihre Gruppe von Wächterinnen, ohne die Seratta nirgendwo hin ging, standen im Halbkreis um Delea und mich herum und starrten uns an. Seratta hatte ihre Mundwinkel leicht nach oben gezogen, was ihr ein beinahe freundliches Aussehen verlieh, aber ich konnte erkennen, dass ihre Augen kalt blickten. Delea war einige Sommer älter als ich, aber wesentlich argloser, was unsere Anführerin betraf. Sie sah erfreut von ihrer Arbeit auf und nickte eifrig.
    »Oh ja, ich töpfere sehr gern. Das ist genau die richtige Arbeit für mich, da ich wegen meines Beins nicht so gut laufe wie die anderen.«
Deleas linkes Bein war von Geburt an kürzer als das andere und sie zog es beim Gehen stark nach, was sehr mühsam wirkte. In mir schrie alles danach, Delea zu warnen. Ich roch das Unheil beinahe. Serattas Miene umwölkte sich. Laut sagte sie:
    »Du sitzt nur hier herum, gibst fürchterliche Töne von dir und hältst die anderen von der Arbeit ab.«
Mit einem Blick rundum schrie sie die verstohlen gesenkten Köpfe an:
    »Arbeitet gefälligst weiter . Hier gibt es nichts mehr zu hören.«
Dann schritt sie bedächtig auf Delea zu, hob ihren Fuß und trat ganz bewusst nacheinander auf die fertigen Becher, die unter ihrer Fußsohle zu unförmigen Dreckklumpen wurden.
    »Deine Arbeit ist stümperhaft, Delea. Deine Becher gehen viel zu rasch kaputt. Wahrscheinlich deswegen, weil du fürchterliche Töne von dir gibst, anstatt dich still auf deine Tätigkeit zu konzentrieren.«
Delea starrte sie fassungslos an.
Seratta versetzte ihr den letzten, vernichtenden Stoß.
    »Ab sofort tauscht du die Arbeit für zwei Monde mit Rona.«
Rona war eine der Abfallsammlerinnen. Diese Arbeit wurde denen zugeteilt, die Serattas Meinung nach ungehorsam waren, und Rona war vor zwei Monden bei ihr in Ungnade gefallen. Von da an hörte ich Delea nie wieder singen. Stumm und verbissen wie alle anderen setzte sie nach Ablauf ihrer Bestrafung ihre Arbeit fort und mir kam es vor, als wären die von ihr gefertigten Gefäße nicht mehr so gleichmäßig geformt und haltbar wie vor diesem Vorfall.
Ich sah Drake an und schüttelte meinen Kopf.
    »Nein, im Dorf dürfen wir nicht singen. Ich habe im Wald versucht,

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