Riskante Liebe
mein ganzes Leben lang mitansehen müssen, wie sie mit Männern umsprang. Sie und ihre Wächterinnen würden alles daran setzen, ihn hinter den Zaun einzusperren, oder, falls er sich wehrte, mit ihren Speeren zu jagen. Groß und stark wie er war, würde er sich keinesfalls ergeben und vermutlich die Grausamkeit und Stärke unserer Anführerin unterschätzen. Und ich würde es nicht ertragen, ihn wie ein Tier eingesperrt zu wissen oder gar seinen Tod zu riskieren. Nun, wo eine Zukunft mit ihm zusammen greifbar nahe gerückt war, wollte ich keinerlei Risiko mehr eingehen. Ich wäre sogar schweren Herzens bereit gewesen, auf meine Rückkehr zu den Hütten und ein letztes Wiedersehen mit meiner Ziehmutter zu verzichten und sagte ihm das auch so. Aber nun war er derjenige, der mir zuredete.
»Hör zu, Kleine. Ich weiß, dass du es dir nicht verzeihen würdest, deine Hüttengenossin nicht mehr gesehen zu haben.«
Mit einem Blick auf den tiefen Stand der Sonne erklärte er :
»Heute ist es zu spät. Wir schlafen noch einmal in der Höhle und machen uns morgen in der Früh auf den Weg zu deinem Dorf. Wir pirschen uns an, das kannst du doch perfekt, und du hältst von irgendeinem Versteck aus nach deiner Freundin Ausschau. Keiner wird uns sehen. Und wenn du dich vergewissert hast, dass alles in Ordnung ist, sagst du ihr in Gedanken Lebewohl, wir gehen zurück zum Hubschrauber und versuchen, zu starten. Vielleicht hat sich der verdammte Motor ja nun erholt und hält durch.«
Er lächelte mich frech an.
»Außerdem bin ich neugierig auf ein ganzes Dorf voller Frauen! Wenn die alle nur halb so gut aussehen wie du, dann … Wow!«
Da er lüstern die Augen verdrehte, erriet ich den Sinn des letzten Wortes mühelos und schlug spielerisch mit dem Band meiner Schleuder nach ihm.
»Die meisten sind älter als ich. Es gibt nur wenig junge Frauen. Ein paar Sommer vor und nach meiner Geburt kamen hauptsächlich männliche Kinder auf die Welt, hat mir Jolaria erzählt. Warum, weiß niemand.«
Meine Mundwinkel gingen unwillkürlich nach oben, als ich ergänzte:
»Und Seratta würde dir schon zeigen, was ein ganzes Dorf voller Wow -Frauen mit dir anstellen würde. Ich glaube nicht, dass du diese Behandlung genießen würdest!«
Ich kannte mich selbst nicht wieder. War das tatsächlich ich, die eben einen Witz über unsere furchteinflößende Anführerin gemacht hatte? Drakes Unbekümmertheit war ansteckend. Ich fühlte mich seltsam leicht und frei. Mir war klargeworden, dass ich nie mehr für die Frauen aus dem Dorf jagen müsste. Nie wieder stundenlang hinter Fährten her pirschen oder auf der Lauer nach Rehen, die auf eine Wiese zum Äsen gingen, liegen musste. Wieder neckte er mich, als ich ihm meine Gedanken anvertraute.
»Was denkst du denn, wie viel Hunger ich habe? Ich brauche mindestens genauso viel zu Essen wie deine Dorfmitbewohnerinnen. Ich nehme dich doch nur mit, damit ich ständig jemanden habe, der für meine tägliche Nahrung sorgt. Du wirst mir jeden Tag einen Hirsch schießen und ausnehmen müssen.«
Da er mir bereits von den Häusern erzählt hatte, in denen in seiner Heimat Nahrung gegen Geld – ich konnte mir immer noch nichts darunter vorstellen – geholt werden konnte, nahm ich seine Worte nicht ernst. Wir beschlossen, gemeinsam zur Höhle zurückzugehen, die Fasanen und die Eier zum Essen zuzubereiten und früh schlafen zu gehen.
Und dann fiel mir etwas ein, was meine gesamte Freude über sein Vorhaben, mich mitzunehmen, wie eine mit Wasser übergossene Flamme erlöschen ließ. Während er mir von seinem Haus, seiner Familie und der Stadt, in der er geboren worden war, San Francisco, erzählte, lauschte ich ihm nur mit einem Ohr. Zweifel und Angst nagten an mir und ich gab kurze Antworten, wenn er etwas fragte. Er kannte mich mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass mich etwas beschäftigte. Wir waren am Flussufer unweit der Höhle angekommen, als er mich forschend anblickte.
»Raus mit der Sprache, Veeria. Was ist los? «
Ich zögerte, fasste aber dann den Mut, ihn zu fragen.
»Du hast mir ganz am Anfang erzählt, es gibt in deiner Heimat eine Frau, die dich liebt, auf dich wartet und sich um dich sorgt. Wie kannst du da zu mir sagen, du liebst mich und willst mich mitnehmen?«
Grenzenlos erleichtert über seine Erklärung, dass er damit seine Mutter gemeint hatte, eilte ich ihm voraus auf den Höhleneingang zu. Wieder packte mich dieses seltsame Gefühl, mich einerseits auf die Zukunft in
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