Riskante Liebe
etwas, das sich anhörte wie ein »Tu das nie wieder, sonst bestrafe ich dich«, und ließ sich auf einem hohen Stein, der mit Fellen gepolstert war und die einzige Sitzgelegenheit am großen Feuer darstellte, huldvoll nieder.
Ihn ritt der Teufel und er zwang Veeria, indem er ihr Kinn in die Hand nahm und ihr Gesicht zu sich drehte, ihn anzusehen. Als er ihre Aufmerksamkeit hatte, ließ er sie los, trat zwei Schritte zurück, straffte seine Schultern , presste seine Lippen aufeinander und zeigte eine grimmige Miene. Mit genau derselben arroganten Kopfbewegung, die Seratta eben benutzt hatte, schleuderte er sein imaginäres Haar nach hinten, hielt in seiner Linken einen unsichtbaren Speer aufgepflanzt neben sich und wies mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand auf die ungläubig dreinblickende Veeria. Durch die zusammengebissenen Zähne zischte er sie an:
»Mach das nicht noch einmal, sonst darfst du mir nie wieder die Fußsohlen küssen! «
Er hatte sein Ziel, sie aus ihrer ängstlichen Konzentration auf Seratta herauszuholen, erreicht. Über ihr Gesicht flog ein Zucken, ihre Augen wurden groß und sie schlug sich rasch die Hand vor den Mund, um den unbändigen Drang, laut aufzulachen, zu unterdrücken. Ihre Schultern bebten. Als sie sich wieder gefangen hatte, funkelten ihn ihre Augen übermütig an.
»Du bist ein guter Schauspieler. Wie machst du das, dich genauso wie sie zu bewegen und zu sprechen, obwohl du ein Mann bist und sie gar nicht kennst?«
»Das, was ich von ihr gesehen habe, reicht mir, um zu erkennen, wie sie sich verhält und was in ihr vorgeht. Ich ahme einfach ihre Körperhaltung und ihren Gesichtsausdruck nach.«
Er blickte wieder in Richtung Dorf und kniff dann ungläubig die Augen zusammen.
***
Besorgt musterte ich seine fassungslose, sichtlich wütend werdende Miene und folgte seinem Blick. Am Waldrand, direkt uns gegenüber, erschienen die Relianten, die vermutlich Holz geschlagen hatten. Die Gruppe schlurfte müde über die Wiese zum Dorfeingang, umringt von Wächterinnen, die drohend ihre Speere auf die Männer richteten. Sie senkten ihre Waffen erst, als sie die Arbeiter wieder ins Gatter getrieben und den Eingang mit schweren Holzstämmen verrammelt hatten. Erstmals sah ich von meinem erhöhten Platz aus, wie es hinter dem Zaun aussah.
Bis auf eine Art Unterstand, ein durchlöchertes , mit Grasmatten abgedecktes Dach auf Pfosten und einem steinigen, mit Geröll und Essensabfällen übersäten Boden, befand sich nichts innerhalb der Palisaden. Die Wächterinnen schoben den Männern durch eine kleine Lücke zwischen Boden und Zaun einige Becher mit Wasser hindurch. Die zerlumpten Gestalten begannen, wie Hyänen um das Wasser und die Essensabfälle zu streiten. Die Jüngeren, die aufgrund ihres besseren körperlichen Zustandes mehr abbekamen, verzogen sich in verschiedene Ecken, um ihre karge Ration gierig in sich hineinzustopfen, während die, die leer ausgegangen waren, zum Unterstand schlurften und sich dort auf den Boden legten.
Ich war damit aufgewachsen, dass Männer bei uns als Sklaven gehalten wurden. Aber nun sah ich das Ganze mit Drakes Augen. Er war ein Mann, an Freiheit, Stärke und seine Unabhängigkeit gewohnt. Es musste für ihn unerträglich sein, das offensichtliche Elend seiner Geschlechtsgenossen mit eigenen Augen zu sehen und nichts dagegen unternehmen zu können.
Er stand da, starrte zum Zaun hinüber und ballte seine Fäuste. In der Hoffnung, ihn beruhigen zu können, bevor er etwas Unüberlegtes tat, legte ich ihm sanft die Hände auf seine Arme.
»Drake, ich weiß, dass es für dich noch viel schwerer sein muss, zu sehen, wie wir mit den Relianten umspringen. Aber wir beide allein können daran nichts ändern.«
Er atmete schwer.
»Ich könnte nachts versuchen, sie zu befreien.«
Ein eisiger Schreck durchzuckte mich. Genau davor, dass er in seiner Ungeduld etwas versuchen würde, was ihn in Gefahr brachte, hatte ich mich gefürchtet. Deshalb hätte ich es vorgezogen, meinen letzten Besuch hier allein zu machen. Eindringlich sah ich ihn an.
»Das geht nicht. Die Wächterinnen lösen sich nachts ab. Es sind zu viele, als dass wir sie überwältigen könnten. Außerdem sind die Relianten viel zu schwach, um weit fliehen zu können. Sie würden, selbst w enn sie den Wald erreichen, in ihrem Zustand nicht lange überleben. Du hast doch gesehen, dass sie wie Tiere sind und sich sogar gegenseitig bekämpfen.«
Bittend krallte ich meine Hände in seine
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