Riskante Liebe
Oberarme.
»Ich will nicht, dass du dich in Gefahr bringst. Vergiss nicht, wir wollen noch heute von hier weg, zu dir nach Hause.« Ich wurde noch deutlicher. »Drake, bitte. Wenn dir etwas daran liegt, dass ich mit dir komme, dann bleib jetzt hier an Ort und Stelle, während ich Jolaria suchen gehe. Ich habe sie weder unten auf dem Platz noch auf der Wiese oder am Waldrand gesehen. Vielleicht sammelt sie Kräuter am Fluss. Ich wundere mich wirklich, dass auf unserer Hütte da vorne« – ich zeigte sie ihm – » kein blühender Zweig steckt. Sie wollte mir damit ein Zeichen geben, wenn alle wieder gesund sind und ich zurückkehren soll. Ich möchte mich nur aus der Ferne vergewissern, dass es ihr gut geht, dann komme ich sofort wieder hierher zu dir und wir können versuchen, in deine Heimat zu gelangen.«
Er zog mich an sich, gab mir einen zarten Kuss auf die Stirn und erklärte:
»Aus dir spricht die Vernunft, Waldfee. Du hast recht. Man kann andere nicht zu ihrem Glück zwingen. Deine Mitbewohnerinnen und auch eure Männer müssen selbst so weit kommen, sich gegen diese Seratta und ihren Wahnsinn aufzulehnen. Nur dann kann ein Aufstand erfolgreich sein. Ich verspreche dir, hier auf dich zu warten. Jetzt lauf und such nach deiner Hüttengefährtin. Und komm rasch wieder!«
Nach Luft schnappend kam ich direkt auf der dem Felsen gegenüberliegenden Seite im Wald heraus. Ich war einen riesigen Bogen gelaufen, kletterte auf einen hohen Ahorn, von welchem aus ich unsere Hütte sehen konnte und starrte angestrengt auf den Eingang, in der stillen Hoffnung, Jolaria möge ihre Tees, Tränke und Salben drinnen zubereiten und zum Luftholen kurz vor die Hütte treten. Oder Kräuternachschub sammeln gehen. Aber nichts deutete darauf hin, dass sich irgendjemand im Inneren aufhielt. Ich fasste den Entschluss, noch rasch zum Flussufer hinunterzulaufen und dort nach ihr zu sehen, als das Knacken von Zweigen und lauter werdende Stimmen das Herannahen anderer Menschen verrieten. Zum Glück hatte der Baum, auf welchem ich saß, starke Äste und eine dichtbelaubte Krone, die mich, vor wem auch immer, verbergen würde.
Die nä selnde Stimme der gefräßigen Dagia klang auf.
»Puh, ist das heute wieder warm. Glaubt ihr, wir bekommen heute Abend endlich wieder einmal richtig große Portionen Fleisch zum Sattessen? Ich habe solc hen Hunger. Seit Tagen gibt es nur die von uns gesammelten Beeren und Wurzeln, weil Karea und Lona krank waren und erst seit heute wieder jagen gehen. Aber die bringen auch nur Kleingetier.«
Duria und Ansa, die zusammen mit Dagia direkt unter dem Baum stehengeblieben waren, auf dem ich saß, nickten.
»Und Veeria ist seit Tagen verschwunden. Seratta hat erklärt, sie würde sie heute Abend suchen lassen, wenn sie bis dahin nicht wiedergekehrt ist« , erklärte Duria, sichtlich stolz darauf, über das Vorhaben unserer Anführerin Bescheid zu wissen. Ich spähte aus der Baumkrone zu dem Felsen hinüber, wo Drake auf mich wartete. Wilde Freude durchfuhr mich. Sie konnte mich lange suchen. Bis zu meiner Höhle würde sich keine von ihnen wagen, zudem wäre ich, wenn alles gut gehen würde, schon lange mit Drake fort. Aber bei den folgenden Worten Durias verwandelte sich meine Freude in Schrecken. Eisige Finger griffen nach meinem Herz.
»Wenn sie nicht bald wiederkommt, wird sie Jolaria vermutl ich nicht mehr lebend sehen. Der geht es seit gestern immer schlechter. Und es gibt niemanden bei uns, der sich außer Jolaria selbst mit Krankheiten und Heilpflanzen so gut auskennt wie sie.«
Am liebsten wäre ich mit einem Satz mitten unter die Drei hinuntergesprungen und hätte alle Einzelheiten über meine Hüttengefährtin aus ihnen herausgeschüttelt. Ein letzter Rest Vernunft hielt mich davon ab, mich irgendjemandem zu zeigen und so wartete ich voller Ungeduld, bis die Nahrungssammlerinnen über die Wiese langsam zum Dorfeingang liefen und hinter den Hütten verschwanden. Erst dann kletterte ich herunter und schlich mich vorsichtig an unsere am Rand des Dorfes stehende Hütte an. Zum Glück befanden sich um diese Zeit die meisten der Dorfbewohnerinnen auf dem großen Platz, und die Wege waren leer. Noch bevor ich den Fellvorhang zu unserer Hütte beiseiteschob und hineinschlüpfte, vernahm ich ein quälendes, mir ans Herz greifendes Husten und Röcheln. Meine Augen mussten sich, nach der sonnigen Helligkeit draußen, einen Lidschlag lang an das dämmrige Halbdunkel im Inneren gewöhnen.
Dann erkannte
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