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Riskante Liebe

Riskante Liebe

Titel: Riskante Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cara Enders
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gewichen. Tagsüber war es warm und sonnig. Die Nächte wurden empfindlich kühl. Morgens, bevor die Sonne genügend Kraft hatte, diese aufzulösen, waberten graue Nebelschwaden über den Boden. Wie in jedem Zyklus der Jahreszeiten schien es, als wolle die Natur, bevor es kalt und die Bäume kahl wurden, noch einmal alles geben. Das Laub der Bäume leuchtete in der Sonne in allen erdenklichen Farbtönen , von Grün über Gelb bis hin zu tiefem Rot. Zusammen mit dem wolkenlos blauen Himmel ergab dies ein überwältigendes Farbenspiel, und jedes Mal, wenn ich dieses Leuchten erblickte, wünschte ich mir, Drake wäre bei mir und wir könnten uns zusammen daran freuen.
    Im Zusammenleben zwischen Jolaria, Zaria und mir hatte sich eine gewisse Gleichförmigkeit eingespielt. Morgens überließ ich Zaria, die beinahe geräuschlos zu uns in die Hütte huschte und Feuer entfachte, Jolarias Pflege und ging jagen. Ich vermied es allerdings tunlichst, weit in den Wald hineinzugehen, um weder meine Höhle, die Lichtung, den Waldsee oder sonstige Orte, die Erinnerungen an Drake bargen, aufsuchen zu müssen. In diesen Stunden bis zum Mittag erbeutete ich genügend, um Seratta zufriedenzustellen. Sie kam zwar einige Male mit ihren Wächterinnen im Gefolge vorbei, um nach dem Rechten zu sehen, ließ uns aber ansonsten in Ruhe. Nachmittags schickte ich Zaria auf Kräuter- und Nahrungssuche und saß an Jolarias Lager. Wir sprachen nicht viel, da sie Unterhaltungen sehr anstrengten. Ihr trocken klingender Husten hatte sich, seit die Nächte kalt geworden waren, wieder verschlimmert und nachts, wenn ich wach lag, lauschte ich besorgt ihrem rasselnden, schweren Atem.
    An einem regnerischen, kühlen Tag war ich gerade dabei, einen Eintopf aus Wurzeln, Beeren und Fleischstücken zu kochen, als Jolaria, die fest geschlafen hatte, sich bewegte. Ich hörte sie mit schwacher Stimme meinen Namen rufen, setzte mich zu ihr und ergriff ihre Hand. Innerlich entsetzt bemerkte ich, wie knochig und zart diese geworden war. Dafür war der Griff, mit dem sie meine Hand umfasste, erstaunlich kräftig. Sie blickte mir eindringlich ins Gesicht.
    »Veeria, mein Kind. Es ist Zeit, der Wahrheit in die Augen zu sehen. Ich werde den nächsten Sommer nicht mehr erleben.«
Zutiefst erschrocken schüttelte ich den Kopf. Ich war nicht hiergeblieben, um sie sterben zu sehen.
    »Sag das nicht. Dein Husten ist bereits besser geworden und du kannst dich sogar schon für kurze Zeit aufsetzen. Du wirst sehen, im Frühsommer gehen wir wieder auf Kräutersuche .«
    Ihr wehmütiges Lächeln schnitt mir ins Herz. Sanft strich sie mir mit ihrer freien Hand über die Wange.
    »Nein, Veeria. Meine Lungen sind zu angegriffen. Ich spüre, dass meine Zeit abgelaufen ist. Ich habe auch keine Angst vor dem Tod. Ich bin froh darüber, dass Zaria uns hilft. Sie ist äußerlich jung, besitzt aber eine alte Seele. Aber ich fürchte um dich, Kind. Du hast stark an Gewicht verloren, bist unglücklich und innerlich zerrissen. Du fühlst dich hier im Dorf, unter Serattas Herrschaft, eingesperrt und unfrei. Lass sie das nie spüren, Veeria. Sonst setzt sie alles daran, deinen Willen zu brechen. Überzeuge sie davon, dass du wieder längere Zeit im Wald leben musst, um genügend Nahrung herbeischaffen zu können. Immer wenn du von dort zu mir zurückgekehrt bist, habe ich in deinen Augen dieses lebendige Funkeln und Strahlen bemerkt, welches du hier nie hattest. Egal, was du dort getan hast, es war gut. Merk dir eines, Veeria: Wer die Vergangenheit ändert, der ändert auch die Zukunft.«
Ich starrte sie traurig an. Sie konnte ja nicht wissen, dass alles, was mir früher an meinen langen Aufenthalten allein im Wald so gefallen hatte, jetzt nur noch schmerzliche Erinnerungen hervorrief. Und angesichts ihres letzten Satzes fragte ich mich, ob sie nicht schon wirr sprach, ohne es zu bemerken.
    Ihr Griff wurde noch fester.
    »Versprich mir, wenn ich fort bin, dich nicht mit Seratta anzulegen, egal, was sie dir erzählen  wird. Manchmal weiß sie nicht, was sie sagt. Glaube ihr nicht. Sie scheut nicht davor zurück, die Unwahrheit zu sagen, um andere dazu zu bringen, ihren Willen zu erfüllen.«
    »Jolaria, mach dir keine Gedanken um mich. Du darfst nicht ans Fortgehen denken. Ich brauch e dich. Und was Seratta angeht … «, ich brach ab, da Zaria in diesem Moment mit einem geflochtenen Weidenkorb in der Hand durch die Türöffnung hereingeschlüpft kam und einen Schwall frischer, feuchter Luft

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