Riskante Liebe
ihn auszuhandeln. Aber er würde hart bleiben, er brauchte dringend Abstand und eine längere Auszeit, um seine verbrauchten Batterien wieder aufzuladen.
Eine Woche später steuerte Drake den schweren Geländewagen, den er am Flughafen in Calgary direkt nach seiner Ankunft gemietet hatte, über einen schmalen, geschotterten Zufahrtsweg und stellte ihn vor einem äußerst komfortabel wirkenden, zweistöckigen Blockhaus mitten in der kanadischen Wildnis ab. Er sprang aus dem Auto, streckte seinen von der neunstündigen Fahrt brennenden Rücken und sog tief die kiefernadelduftgeschwängerte, saubere Luft in seine Lungen. Sein spontaner Entschluss, sich aus dem Großstadtleben auszuklinken und hier, in British Columbia, für einige Wochen zur Ruhe zu kommen, war genau der richtige gewesen. Je näher sein Abflug gerückt war, desto sicherer war er sich im Hinblick auf sein Urlaubsziel geworden.
Durch Zufall hatte er, nur einen Tag nach seiner Idee mit der beruflichen Auszeit, beim Mittagessen in einem Diner eine Unterhaltung von zwei Anzugtypen am Nachbartisch belauscht, wobei der eine dem anderen von seinem Sabbatjahr in der unberührten Wildnis Kanadas vorgeschwärmt hatte. Drake hatte sich spontan in das Gespräch eingeschaltet und eine halbe Stunde später das Lokal verlassen, ohne sein Steak aufgegessen zu haben. In seiner Hosentasche steckte ein Bierfilz mit der aufgekritzelten Internet-Adresse eines Kanadiers, der einsam gelegene Blockhäuser an Urlauber, Jäger oder Aussteiger vermietete. Die halbe Nacht saß er vor dem Computer und klickte sich mit wachsender Begeisterung durch herrliche Landschaftsaufnahmen sowie die Außen- und Innenansichten von Luxus-Blockhütten mit fließend warmem und kaltem Wasser, Strom, Heizung und allem, was man sonst noch für einen erholsamen Urlaub brauchte.
In seinem Traum hatte er nichts von alledem gehabt, hatte gelebt wie in der Steinzeit. Und ohn e die imaginäre Veeria hätte er, natürlich ebenfalls nur eingebildet, eine strenge Diät machen müssen. Nur ihren Jagdkünsten war es zu verdanken gewesen, dass er nicht zwangsläufig zum Vegetarier wurde, der sich von Wurzeln, Beeren und Nüssen ernähren musste. Und dennoch war der Aufenthalt dort für ihn unglaublich intensiv, beeindruckend und wunderschön gewesen …
Hier gab es keine Veeria, dafür eine n gutgefüllten Eis- und Kühlschrank, ein weiches Bett, eine heiße Dusche und eine Toilette. Er hätte die gegenteilige Variante vorgezogen.
Rasch verdrängte er die Bilder, die vor seinem inn eren Auge bereits wieder aufzusteigen drohten und seinen Seelenfrieden gefährdeten. Er war hier, um abzuschalten und seine innere Ruhe wieder zu erlangen. Ankündigungen seiner Familie und Freunde, auf Besuch zu kommen und „ihm wenigstens für ein paar Tage in der Wildnis Gesellschaft zu leisten“, hatte er gnadenlos abgeschmettert und erklärt, er brauche absolute Ruhe und Abstand.
Neben einigen interessanten Drehbüchern (keine Actionfilme), einem Stapel seiner Lieblings-DVDs, einem IPod, vollgeladen mit einem buntgemischten Mix seiner bevorzugten Songs und Arien, ein paar Romanen und seiner Armeepistole (nur zu seiner Verteidigung, falls er auf einen wildgewordenen Bären stoßen sollte), hatte er seine neueste Errungenschaft im Gepäck: Einen Sportbogen samt Pfeilen und einer Zielscheibe, die er irgendwo an einem Baum zum Üben aufhängen wollte. Im Schaufenster eines Sportgeschäfts hatte er dieses Equipment vor drei Tagen zufällig entdeckt und dem unbedingten Drang, es zu kaufen, nachgegeben. Zuhause angekommen versuchte er, sich beim Auspacken damit zu täuschen, dass es eine ideale Beschäftigung für ihn darstellte, sich in seinem Urlaub im Bogenschießen zu versuchen. Es erforderte Kraft, Geschicklichkeit, Geduld und man konnte in der freien Natur üben.
Gleichzeitig war ihm sonnenklar, dass dies nur vorgeschobene Gründe waren. In Wahrheit wollte er damit sein Trauma (wobei es äußerst fraglich war, ob man in einem Traum ein solches erleiden konnte) überwinden. Es hatte sein männliches Ego zutiefst verletzt, als Veeria, seine ominöse Traumfrau, ihn bei seinen ersten kläglichen Bogenschießversuchen buchstäblich in Grund und Boden schoss … Genug!
Entschlossen öffnete er den Kofferraum und lenkte sich erfolgreich damit ab, sein umfangreiches Gepäck auszuladen und die Holzstufen zum Eingang hochzuwuchten.
VIERZEHN
Die schweißtreibende Hitze der letzten Sommertage war mildem, ruhigem Wetter
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