Riskante Liebe
in den Jeep, legte eine CD mit Opernarien ein und sang lauthals beim Chor der Gefangenen aus „Nabucco“ mit, wobei ihm unwillkürlich wieder Bilder aus seinem Traum in den Sinn kamen, diesmal nicht nur von Veeria neben ihm, sondern von den bedauernswerten Männern, die von den Dorffrauen wie Tiere hinter einem Palisadenzaun gehalten worden waren.
Er schüttelte den Kopf. Einiges aus diesem Traum hatte er ja bereits als Zeichen seines Unterbewusstseins deuten können, aber er rätselte den Rest seines Weges vergeblich, was ihm Bilder von unterdrückten und entrechteten Geschlechtsgenossen sagen wollten …
Im Blockhaus angekommen, verstaute er seine Lebensmittel, übte, solange es noch hell war, eine halbe Stunde Bogenschießen, briet sich ein Steak und vertiefte sich dann in ein interessantes Drehbuch über einen Mann, der durch einen schweren Autounfall aus seinem bisherigen privilegierten, relativ oberflächlichen Leben herausgerissen wurde und aufgrund der erlittenen körperlichen Einschränkungen ganz allmählich eine andere, tiefere Sicht auf sein Dasein gewann. Je länger Drake las, desto sicherer war er sich, diese Rolle spielen zu wollen. Abe würde im Viereck springen, da dieser Charakter im Gegensatz zu seinen bisherigen Hauptrollen einen völligen Imagebruch darstellte, aber es war ihm egal. Notfalls würde er sich einen neuen Agenten suchen.
Am nächsten Morgen zeigte sich der Himmel wolkenverhangen und Nebelschwaden waberten über den Boden. Ungeachtet dessen zog er früh los und freute sich tatsächlich, nach seinem vorübergehenden Ausflug in die Zivilisation erneut in die Einsamkeit des Waldes abtauchen zu können.
Im Laufe des Vormittags verzog sich der Nebel und die Sonne leuchtete vom blauen Himmel. Ihm wurde warm und er steckte seine ärmellose Steppjacke in den Rucksack. Je länger er sich zwischen den Bäumen bewegte, desto schärfer wurde sein Auge für Kleinigkeiten. Dinge wie Tierspuren, Eichhörnchen und Vögel, die ihn reglos von den schützenden Ästen der Bäume herab beobachteten oder ein Kaninchen, das aus seinem Bau schoss und davonhoppelte, erkannte er nun wesentlich müheloser als kurz nach seiner Ankunft hier. Er war noch so im Großstadtmodus und im Gedankenkarussell gefangen gewesen, dass ihm ein Bär auf die Schulter hätte klopfen müssen, damit er ihn überhaupt wahrnahm. Wobei er einem solchen glücklicherweise noch nicht begegnet war und auf ein Zusammentreffen mit Meister Petz keinen gesteigerten Wert legte. Bären mieden normalerweise Menschen und wichen ihnen aus, außer sie wollten ihre Beute oder ihre Jungtiere verteidigen. Er wusste um die Verhaltensmaßregeln: Keineswegs schreien, ruhig sprechen, die Arme auf und ab bewegen, und, immer mit Blick zum Tier, sich langsam entfernen. Im seltenen Fall eines Angriffs sollte man sich tot stellen. Wobei er sich ernsthaft fragte, wer so kaltblütig war, regungslos liegenzubleiben, wenn ein Bär über einen herfiel …
In seinem Traum hatte er Veeria gegen eine aggressive Luchsmutter verteidigt und sie hatte ihn, als er verletzt war, vor Hyänen beschützt. Allein die Existenz dieser Aasfresser in einem Wald ähnlich dem, in welchem er sich gerade aufhielt, war ein weiterer Beweis dafür, dass es sich um einen Traum gehandelt hatte. Soweit seine mageren biologischen Kenntnisse reichten, gab es Hyänen nur in heißen Gegenden, in den Steppen und Savannen Afrikas und Asiens.
Der Schrei eines Adlers, der über ihm am blauen Himmel kreiste, riss ihn aus seinen Gedanken. Er richtete sein Fernglas durch die Baumkronen hindurch auf den majestätisch dahingleitenden Raubvogel und erkannte freudig erregt einen der seltenen Weißkopfseeadler.
Nur kurze Zeit später hatte er, was seltene Tierbegegnungen anging, erneut Glück. Auf einem Baumstumpf legte er Rast ein und trank durstig aus seiner Wasserflasche, als durch die Stämme der Bäume hindurch eine Bewegung seine Aufmerksamkeit erregte. Etwa fünfzig Meter entfernt von ihm stand auf einer Lichtung eine einzelne Elchkuh, die mit ihrem langen , pferdeähnlichen Maul an den Grasspitzen rupfte. Ganz langsam pirschte sich Drake näher an das Tier heran, um mit seiner Kamera eine Aufnahme machen zu können. Sie zeigte keine Scheu, hob ihren im Verhältnis zum massigen Körper kleinen Kopf mit den trichterförmig abstehenden Ohren und sah ihm ruhig entgegen.
Erst als er sich ihr auf wenige Schritte genähert hatte, drehte sie sich gemächlich um und marschierte mit eigenartig sc
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