Riskante Nächte
feinen Gesellschaft verkehrte, wie man ein Bordell führt?«
Victorias Miene wurde höhnisch. »Aber, Mrs. Bryce, können Sie es nicht erraten? Ich kenne dieses Gewerbe, weil ich darin aufgewachsen bin.«
Louisa starrte sie entgeistert an. »Sie waren eine Prostituierte?«
»Mein Stiefvater hat mich an ein Bordell verkauft, da war ich zwölf. Ich habe wirklich alles über dieses Gewerbe von Grund auf gelernt. Mit achtzehn führte ich das Haus. Mit zweiundzwanzig machte ich Elwin Hastings’ Bekanntschaft. Er war ein Freier. Achtzehn Monate später haben wir geheiratet, nachdem ich ihn überzeugt hatte, dass ich ihn reich machen könnte. Ich habe mein Versprechen gehalten, aber das Schwein hat seines gebrochen.«
»Sie haben mich schon seit einigen Tagen beschattet und mir nachspioniert«, sagte Louisa.
»Ich hatte Gerüchte gehört, dass jemand die Frauen, die Mrs. Woods’ Einrichtung in der Swanton Lane besuchen, über das Phoenix House aushorchte. Also hielt ich es für das Beste, herauszufinden, was vor sich ging. Stellen Sie sich meine Überraschung vor, als ich entdeckte, dass Sie Reporterin für den Flying Intelligencer sind.«
Louisa wusste nicht, was sie sagen sollte. »Sie sind eine erstaunliche Frau, Victoria.« Sie schaute an die gewölbte Decke. »Wo bin ich hier? In Ihrem neuen Bordell?«
»Ja. Willkommen im Phoenix House. Lassen Sie mich Ihnen versichern, dass die Profite erfreulich stark gestiegen sind, seitdem ich die Leitung übernommen habe.«
»Ich kann nicht glauben, dass Sie willentlich in diese Welt zurückgekehrt sind.«
Victoria schnaubte verächtlich. »Und ich hätte von Ihnen eine etwas welterfahrenere Sichtweise erwartet, Mrs. Bryce. Die schlichte Wahrheit ist, dass ich für meine Rache Geld brauchte. Falls es Ihnen entgangen sein sollte: Es ist für eine Frau ohne familiäre Beziehungen oder einen reichen Gatten praktisch unmöglich, in unserer sogenannten modernen Zeit ihr Glück zu machen.«
»War es schwer, Hastings in dieses Freudenhaus zu locken?«
»Ganz und gar nicht.« Victoria schmunzelte. »Schließlich kenne ich seine Neigungen besser als jeder andere. Wie ich Ihnen schon sagte, wenn Sie erst einmal durchschaut haben, was die größte Leidenschaft eines Mannes ist, dann haben Sie ihn in der Hand.«
»Sie werden ihn umbringen, nehme ich an?«
»Ja. Heute Nacht, um genau zu sein. Ich hatte nicht vorgehabt, es so schnell zu tun. Ich wollte Elwin zuerst finanziell bluten lassen. Ich habe monatelang an meinen Plänen gefeilt. Das Finanzkonsortium, auf das er so stolz ist, ist zum Scheitern verurteilt, fürchte ich. Er hätte alles verloren. Dann hätte er natürlich Selbstmord begangen. Und ich wäre als seine trauernde Witwe zurückgekehrt. Mit dem Geld aus dem Phoenix House hätte ich wieder meinen angestammten Platz in der feinen Gesellschaft einnehmen können.«
»Sie haben das Konsortium erdacht?«
»Selbstverständlich. Ich habe Grantley dazu benutzt, die Einzelheiten auszuarbeiten und Elwin in die richtige Richtung zu steuern.«
»Und als Sie Grantley nicht mehr brauchten, haben Sie ihn ermordet.«
Victoria zuckte die Achseln. »Ich hielt es für das Beste.«
»Was ist mit Thurlow? Warum haben Sie ihn ermordet?«
»Er hat meine Identität hier im Phoenix House gelüftet. Wie sich herausstellte, hat eines der Mädchen ihn nebenbei auf eigene Kasse bedient. Eine Bemerkung von ihr weckte seinen Verdacht, und er verschaffte sich hier Zugang, indem er sich als Freier ausgab. Er ist nach oben geschlichen und hat mich ausspioniert. Er hat einen Blick auf mich ohne meinen Schleier erhascht und mich erkannt.«
»Was hat er dann getan?«
»Der Narr hat versucht, mich zu erpressen. Er hat gedroht, Elwin zu verraten, dass ich noch am Leben sei.«
»Also haben Sie sich eines Nachts in seine Wohnung geschlichen, gewartet, bis er nach Hause kam, und ihn dann erschossen.«
»Thurlow war unbeschreiblich gut aussehend, aber leider war er nicht sehr intelligent.«
»Wie werden Sie Elwin Hastings umbringen?«, wollte Louisa wissen.
»Wie ich schon sagte, Sie und Stalbridge haben mich gezwungen, früher zuzuschlagen, als ich beabsichtigt hatte.« Victoria war eindeutig erbost über diese Wendung. »Also wird Elwin heute Nacht einen Herzanfall erleiden, während er sich hier im Phoenix House seine wöchentliche Behandlung angedeihen lässt.«
»Wie wollen Sie denn einen Herzanfall vortäuschen?«
»Es ist kein Geheimnis, dass eine hinreichende Menge Chloroform zu
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