Riskante Nächte
ein sehr anstrengender Tag.«
Er baute sich vor ihr auf und stützte die Hände hinter ihr auf die Werkbank, sodass sie zwischen seinen Armen gefangen war.
»Lassen Sie mich eines unmissverständlich feststellen«, sagte er in demselben gefährlich sanften Ton. »Dies alles ist Ihre Schuld, nicht meine. Sie haben mich mit Ihrer Verkleidung als Witwe verleitet. Sie haben die Rolle viel zu gut gespielt. Sie hätten mir die Wahrheit sagen sollen.«
»Unsinn. Wenn ich das getan hätte, hätten Sie mich nie geküsst und entehrt schon gleich gar nicht.«
»Sie wollten entehrt werden?«
»Ja, das wollte ich.« Abermals kochten Zorn und Enttäuschung in ihr hoch. »Ich war heute Abend in der Stimmung, entehrt zu werden.«
Seine Augen blitzten bedrohlich. »War das eine spontane Entscheidung, die Sie heute Abend aus einer Laune heraus getroffen haben?«
»Ganz und gar nicht.« Sie reckte trotzig ihr Kinn vor. »Wie es sich trifft, habe ich in letzter Zeit des Öfteren daran gedacht.«
»Was für ein Zufall«, bemerkte er. »Ich auch.«
Sie ignorierte das. »Bis heute Abend hatte ich allerdings selbstredend die völlige Kontrolle über meine Gefühle.«
»Selbstredend.«
»Ich muss jedoch leider einräumen, dass mich die Geschehnisse in Thurlows Wohnung sehr mitgenommen haben.«
»In welcher Hinsicht?«
»Ich kann es nicht erklären. Ich war den ganzen Nachmittag aufgewühlt und nervös. Mein Herz schien schneller als gewöhnlich zu schlagen. Ich konnte meine Nerven einfach nicht beruhigen.«
Er musterte im fahlen Licht ihr Gesicht. »Ich denke, ich verstehe.«
»Als Sie mich vorhin küssten, war es, als bräche plötzlich ein mächtiges Gewitter los. Ich wurde unvermittelt von einem Wirbel überwältigender Gefühle mitgerissen.«
»Getrieben von den Böen der Leidenschaft?«, schlug er hilfreich vor.
»Ja, genau.«
»Gepeitscht vom wilden Sturm des Verlangens?«
Er verstand es. Das richtete sie etwas auf.
»Das ist genau das Gefühl, das ich zu beschreiben versuche.« Sie machte eine erwartungsvolle Pause. »War es für Sie ebenso?«
»Unbedingt.« Er beugte sich noch etwas dichter an sie heran. »Bis mir die Petersilie verhagelt wurde.«
»Ja, nun, das war selbstverständlich ein schrecklicher Fehler. Und jetzt würde ich wirklich sehr gern nach Hause fahren, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Ich brauche dringend ein großes Glas Brandy.«
»Ich auch.«
»Sie sind verärgert. Ich nehme es Ihnen nicht übel.« Ihr kam ein entsetzlicher Gedanke. »Dieser unglückliche Vorfall wird doch nichts an unserer Abmachung bezüglich unserer Zusammenarbeit ändern, oder?«
Sehr zu ihrem Verdruss ließ er sich mit seiner Antwort Zeit.
»Nein«, sagte er schließlich. »Unsere Abmachung gilt, wenn Sie es wünschen.«
»Das tue ich«, versicherte sie ihm.
»Eines sollten Sie allerdings bedenken, bevor Sie darauf bestehen, unsere Zusammenarbeit fortzusetzen.«
»Und das wäre?«, fragte sie argwöhnisch.
»Wenn wir weiterhin zusammenarbeiten, wird es sehr wahrscheinlich weitere feurige Wirbelstürme wie jenen geben, der sich gerade ereignet hat.«
Ungeachtet all dessen, was passiert war, spürte sie, wie ihr Herz sogleich wieder schneller schlug. Ein wohliger Schauder lief heiß über ihren Rücken. Sie unterdrückte ihn mit Mühe, nahm sich zusammen und richtete sich gerade auf.
»Wir sind beide willensstarke Menschen, Sir«, erklärte sie mit Nachdruck. »Ich bin sicher, wir werden uns beherrschen können.«
»Das meinen auch nur Sie, Louisa.«
Er geleitete sie aus dem Wintergarten und durch den Garten zurück zum Haus. Louisa blickte zum gleißend hell erleuchteten Ballsaal. Panik durchzuckte sie.
»Müssen wir wieder hineingehen?«, fragte sie beklommen.
Anthony lächelte verkniffen. »Eine der Finessen bei der Ausübung einer verbotenen Affäre, meine Teuerste, ist die Fähigkeit, vor aller Welt so zu tun, als wäre absolut nichts geschehen.«
Er hatte recht. Sie reckte ihr Kinn vor und richtete sich noch gerader auf.
»Ausgezeichnet«, flüsterte Anthony ihr ins Ohr.
Zum Glück schien niemand an ihnen interessiert. Ein beiläufiges Nicken zum Gruß hier und dort und ein paar neugierige Blicke waren das Einzige, was sie auf ihrem Gang durch den Saal begleitete.
Sobald sie das Vestibül erreichten, ließ Anthony seine Kutsche rufen. Sie gingen gemeinsam die Eingangsstufen hinunter. Ein Diener hielt ihnen die Tür des Verschlags auf. Zuflucht war in Sicht, jubilierte Louisa im Stillen. Sie
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