Riskante Versuchung
Mal fiel ihr alles wieder ein. Sein Apartment. Das Gewitter. Offene Fenster. Die Silhouette eines Mannes. Das große glänzende Messer …
„Du hattest ein Messer …“
„Mir war nicht klar, dass du es bist“, verteidigte er sich. „Du klopfst immer an und bist noch nie einfach hereingekommen. Ich habe dich für einen Einbrecher gehalten, und deshalb hatte ich mein Messer in der Hand.“
Sein Messer. Das klang so selbstverständlich, als trage er ständig eine tödliche Waffe bei sich. Die Klinge dieses Messers hatte lang und gefährlich ausgesehen. Lang genug, um jemandem damit die Kehle durchzuschneiden …
Jess erschauerte. Sie musste sich eingestehen, dass sie sich ein wenig vor diesem Mann fürchtete. Trotzdem fühlte sie sich weiter zu ihm hingezogen.
„Warum bist du einfach so in meine Wohnung gekommen?“, wollte Rob wissen.
Jess befeuchtete sich die trockenen Lippen. „Ich war heute Nachmittag in deiner Wohnung, um den Filter der Klimaanlage auszuwechseln“, erklärte sie. „Als es anfing zu regnen, dachte ich plötzlich, ich hätte vielleicht vergessen, deine Fenster zuzumachen, und …“
Sie schaute Rob in die Augen. Er trug keine Brille. Ohne sie wirkte er älter und härter, zugleich aber auch verletzlicher. Bei genauerem Hinsehen war seine Nase gar nicht mehr so gerade. Es schien ganz so, als sei sie schon einmal gebrochen gewesen, möglicherweise sogar mehr als einmal. Außerdem befand sich unterhalb seiner rechten Braue eine Narbe, die ihr bisher nicht aufgefallen war. Im flackernden Kerzenschein wirkte er gefährlich. Aber er sah auch müde aus. Nicht nur körperlich müde, sondern seelisch erschöpft.
Sein Blick ruhte beinah sehnsüchtig auf ihrem Mund. Sie sah, wie seine Kiefermuskeln arbeiteten, während er die Zähne zusammenbiss.
Jess wusste, dass nicht mehr viel dazugehörte, damit er sie erneut küsste. Genauso wie auf dem Parkplatz vor dem Pelican Club. Und diesmal würde sie nichts davon abhalten, den Kuss bis zu seinem Höhepunkt andauern zu lassen.
Rob wich zurück, als könne er ihre Gedanken lesen. Wahrscheinlich konnte er das sogar. Jess wäre jedenfalls nicht überrascht gewesen, wenn ihr all das, was sie dachte, auf der Stirn geschrieben stünde.
Durch den etwas vergrößerten Abstand wurde sein Blick wie magisch von ihren Beinen angezogen. Jess hatte nicht mehr als ein altes T-Shirt an, das knapp über ihren hoch geschnittenen Slip reichte. Ihre Beine waren nackt und seidig und durch die Nähe zwischen ihnen unmöglich zu ignorieren.
Er schloss kurz die Augen. „Kann ich dir etwas bringen?“ Als er die Augen wieder aufmachte, hielt er den Blick bewusst auf ihr Gesicht gerichtet.
Jess schüttelte den Kopf. „Es sei denn, du hast eine Ahnung, wo ich eine neue Klimaanlage herbekomme um …“ Sie beugte sich ein wenig vor, um einen Blick auf ihren Radiowecker werfen zu können. „Um zwei Uhr morgens.“
„Nein“, erwiderte er lachend, was prompt seine Konzentration beeinträchtigte und dazu führte, dass er wieder ihre Beine anstarrte. Er zwang sich, ihr erneut ins Gesicht zu sehen. „Es ist wirklich heiß hier drin, nicht wahr? Ich weiß, dass der Strom schon seit einer Weile ausgefallen ist. Doch ich vermute auch, dass irgendwann am Nachmittag die Klimaanlage den Geist aufgegeben hat.“
„Stimmt. Das wird mich fünfhundert Dollar kosten.“
Rob sah so gut aus, wie er da vor ihr saß. Von so einem schlanken und muskulösen Körper konnten die meisten Männer nur träumen. Für einen solchen Oberkörper waren Muskelshirts erfunden worden. Aber Rob trug nie etwas anderes als langärmelige Hemden.
Auf einmal begriff Jess, dass er diese Hemden trug, um seine Tätowierungen zu verbergen. Ja, das musste der Grund sein.
„Fünfhundert?“ Rob verzog das Gesicht. „Autsch.“
Jess lächelte zerknirscht. „Kann man wohl sagen.“ Sie stützte sich auf die Ellbogen. Ihr Kopf schmerzte noch, aber es war kein Vergleich zu vorher. „Eigentlich solltest du in Orlando sein“, stellte sie fest. „Was ist passiert?“
„Der ganze Auftrag wurde verschoben“, antwortete Rob. Schweißperlen erschienen auf seiner Oberlippe. Er wischte sie mit dem Handrücken fort. „Es gab ein Problem mit dem Vertrag. Ich habe keinen Schimmer, um was genau es sich handelte. Ich stehe für eine Weile auf Abruf bereit. Es kann Wochen dauern oder nur ein paar Tage. Möglicherweise schickt man mich morgen schon los.“
Das war verrückt. Sie saßen hier, beide nur spärlich
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