Riskante Versuchung
gegenüber, den sie so sehr vermisst hatte …
Rob.
Er wirkte verlegen, als hätte er gehofft, unbemerkt davonzukommen.
„Du bist wieder zurück“, stellte sie unnötigerweise fest. Er sah müde aus. Und nervös. Dünner auch, als hätte er abgenommen.
„Ja“, sagte er. „Ich bin zurück. Eigentlich bin ich hier, weil ich mit Frank reden muss. Auf seiner Voicemail hieß es, er sei heute Abend hier.“
Mit anderen Worten, er war gar nicht gekommen, um sie zu sehen. Sie nickte steif. „Tja, dann will ich dich mal nicht aufhalten.“
Schnell wandte sie sich ab.
„Jess.“
Sie blieb stehen, drehte sich jedoch nicht zu ihm um.
„Du siehst gut aus“, bemerkte er.
Erst vor wenigen Minuten hatte sie auf der Damentoilette einen Blick in den Spiegel geworfen und festgestellt, wie müde, einsam und traurig sie aussah. Jedenfalls nicht „gut“. Kopfschüttelnd setzte sie ihren Weg zur Bühne fort.
Es war ein Fehler gewesen, hierherzukommen. Jess wiederzusehen war die reinste Qual.
Stattdessen hätte Rob zu seinem Apartment fahren und seine Sachen abholen sollen. Es wäre die perfekte Gelegenheit gewesen, da Jess den ganzen Abend über weg sein würde. Er hätte ganz in Ruhe alles zusammenpacken und verschwinden können, ohne ihr zu begegnen.
Nur hatte ihn irgendetwas hierher gezogen. Irgendeine eigenartige Kraft hatte ihn in diese Richtung geführt. Sein Besuch hier hatte überhaupt nichts mit Frank zu tun. Was er mit seinem Kollegen zu besprechen hatte, konnte warten, bis sie sich am folgenden Tag im Büro sahen.
Nein, es war die Vorstellung, Jess wiederzusehen, die ihn angetrieben hatte. Na schön, nun hatte er sie gesehen und mit ihr gesprochen. Sie sah gut aus. Hatte er denn wirklich erwartet, sie am Boden zerstört oder gar an gebrochenem Herzen leidend vorzufinden?
Er hatte bekommen, wofür er hergefahren war. Jetzt würde er wieder verschwinden.
Doch als Rob seinem Kollegen Frank zuflüstern wollte, dass er gehen würde, tauchte Ian auf und setzte sich an einen Tisch im hinteren Teil des Clubs. Nun konnte Rob nicht mehr einfach verschwinden, denn er wusste, wie verwundbar Jess sich fühlte, wenn ihr Ex in der Nähe war.
Also blieb er.
Jess‘ erster Auftritt war kurz, und im Nu war sie schon wieder von der Bühne herunter. Rob sah, wie sie in der Garderobe verschwand. Das Licht im Club wurde etwas heller.
Wie ein immer wiederkehrender Albtraum erschien Ian an Robs und Franks Tisch. „Ach du meine Güte“, wandte er sich mit seinem britischen Akzent an Frank. „Was für reizende Blumen! Sind die für mich?“
Rob sah überrascht zu Frank. Blumen? Die hatte er gar nicht bemerkt. Aber tatsächlich, Frank hatte einen kleinen Strauß Blumen vor sich auf dem Tisch liegen.
„Nein“, erwiderte Frank. „Die sind nicht für dich, Davis, sondern für Jess.“
„Oh“, stieß Ian grinsend hervor. „Sind wir etwa verliebt in die Dame? Frank, du alter Gauner. Du weißt genau, wie man das Herz einer Lady erobert, was? Was ist der Anlass? Zweiwöchiges Jubiläum?“
Rob starrte die Blumen an und bekam die Unterhaltung nur halb mit. Frank und Jess?
Er stand so abrupt auf, dass er dabei fast seinen Stuhl umgeworfen hätte. „Entschuldige mich“, murmelte er und bahnte sich einen Weg zur Bar.
Was ist nur los mit dir! schalt er sich insgeheim. Er hatte kein Recht, eifersüchtig zu sein. Er hatte kein Recht, überhaupt etwas zu empfinden. Und dennoch war es so. Zunächst einmal war er wütend. Außerdem fühlte er sich verraten und hintergangen.
Dabei hatte er das ultimative Opfer für Jess gebracht. Indem er auf das Paradies mit ihr verzichtete, verhinderte er, dass ihr etwas geschah.
Verdammt, er hatte sie geliebt, leidenschaftlich und voller Hingabe. Allerdings nur ein einziges Mal. Nur dieses eine Mal hatte er es sich gestattet, seiner Liebe körperlich Ausdruck zu verleihen. Und er hatte es nur deshalb bei diesem einen Mal belassen, weil er glaubte, dass sie ebenfalls diese überwältigende Liebe spürte. Er hätte es nicht ertragen, ihr etwas vormachen und sie dann verlassen zu müssen.
Aber - Überraschung! Offenbar sahen Jess‘ Gefühle für ihn doch ein wenig anders aus, als er gedacht hatte. Ganz offensichtlich war es ihr nicht sehr schwergefallen, ihn zu ersetzen.
Er fühlte sich benommen. Das Rose Café war überfüllt, und es war sehr warm. Trotzdem fröstelte er.
„Kann ich Ihnen etwas zu trinken bringen?“, erkundigte sich der Barkeeper, ein Mann mit einem schmalen Gesicht.
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