Riskante Versuchung
Straßenseite waren fast alle dunkel.
In einem brannte Licht, es lag etwa sieben Häuser weit entfernt. Doch noch während sie hinsah, ging das Licht aus.
Vielleicht kommt ein Polizeiwagen vorbei, dachte Jess, wusste aber sofort, dass das reines Wunschdenken war. Mittlerweile saß sie seit einer halben Stunde hier fest, und in der ganzen Zeit war nur ein einziger Wagen vorbeigekommen. Das war vor ein paar Minuten gewesen, und sie hatte nicht daran gedacht, ihn anzuhalten.
Sie war so müde, dass sie am liebsten auf der Stelle in ihr Bett gekrochen wäre und drei Tage lang durchgeschlafen hätte. Erneut legte sie den Kopf auf das Armaturenbrett …
Plötzlich flog die Wagentür auf, und noch ehe sie reagieren konnte, packten starke Hände sie und zerrten sie aus dem Wagen. Eine Hand hielt ihr den Mund zu und erstickte damit jeden Hilfeschrei. Sie wurde an einen sehr harten Körper gepresst. Verzweifelt und in Panik schlug sie um sich, konnte sich jedoch nicht befreien.
„Willst du dich etwa umbringen?“, flüsterte der Angreifer ihr ins Ohr. Jess erstarrte.
Sie wurde losgelassen, und als sie herumwirbelte, sah sie Rob vor sich.
Ihr Herz klopfte wie wild. Es war nur Rob. Nur Rob? Sofort fielen ihr wieder ihre Zweifel und ihr Misstrauen ein. Warum hatte er sie aus dem Wagen gezerrt und ihr den Mund zugehalten, damit sie nicht schrie? Was machte er hier überhaupt? Was wollte er von ihr?
„Verfolgst du mich?“, fragte sie rundheraus.
„Hast du vergessen, dass jemand in dieser Stadt herumschleicht und auf der Suche nach wehrlosen Frauen ist, die dumm genug sind, sich nachts allein in einer verlassenen Straße aufzuhalten?“, stieß er wütend hervor. „Ich bin an dir vorbeigefahren und konnte es nicht fassen. Du hast bei eingeschalteter Innenbeleuchtung in deinem Wagen gesessen! Um Himmels willen, da hättest du dir ebenso gut ein Neonschild mit den Worten ‚Leichte Beute‘ umhängen können.“
Die Brille war ihm bei dem Gerangel von der Nase gerutscht, und jetzt bückte er sich, um sie aufzuheben und in die Tasche zu stecken.
„Mein Wagen hatte eine Panne“, erklärte sie kühl. „Die Kupplung hat endgültig den Dienst quittiert.“
Sie zog den Zündschlüssel ab und nahm ihre Gitarre vom Beifahrersitz. Dann warf sie die Tür zu und schloss sorgfältig ab.
„Komm“, sagte Rob, „ich nehme dich mit.“
„Fahr zur Hölle“, erwiderte sie. „Ich will nicht mit dir fahren.“
Er lachte. „Ach komm schon. Was willst du tun? Zu Fuß gehen?“
Jess antwortete nicht, sondern marschierte hoch erhobenen Hauptes los.
„Hast du mir denn überhaupt nicht zugehört?“ Rob klang inzwischen richtig verärgert.
„Ich habe keine Angst“, sagte Jess und drehte sich nicht einmal zu ihm um.
Im Nu baute er sich vor ihr auf dem Gehsteig auf und versperrte ihr den Weg. „Du hast keine Angst, wie?“ Sein attraktives Gesicht war ernst und hart.
Plötzlich hatte er das Messer in der Hand. Die lange Klinge funkelte im fahlen Schein der Straßenlaterne.
Dann machte er erst einen, dann noch einen bedrohlichen Schritt auf Jess zu.
„Rob, nicht“, flüsterte sie zurückweichend. Warum tat er das? War er wirklich so wütend, dass er ihr etwas antun wollte?
„Hast du jetzt Angst?“, stieß er wütend hervor.
Sie nickte benommen.
Leise zischend fuhr die Klinge wieder zurück in den Messergriff, und nach einer weiteren raschen Bewegung aus dem Handgelenk schien das Messer in Robs Ärmel zu verschwinden.
Jess‘ Angst verwandelte sich umgehend in Wut. „Du Mistkerl“, schrie sie und holte mit der Gitarre aus. Er reagierte schnell und schützte seinen Unterleib, indem er den Oberschenkel vorschob und den Gitarrenkoffer mit beiden Händen festhielt.
Jess ließ ihre Gitarre los und rannte die Straße entlang. Sie wollte nur noch weg von diesem Mann, weit weg, konnte nicht glauben, was für einen üblen Spaß er sich da gerade auf ihre Kosten erlaubt hatte.
Ihr Atem klang laut in ihren Ohren, und sie drehte sich zu Rob um. Genau in diesem Augenblick griff er nach ihrem Hosenbund. Sie versuchte auszuweichen, doch er erwischte sie. Als er zog, stürzten sie beide zu Boden. Einen Moment lang rührte sich keiner von beiden. Jess lag da und spürte seinen warmen Atem auf ihrem Gesicht.
„Es tut mir leid“, sagte Rob schließlich sanft. „Ich wollte dir etwas beweisen und bin dabei zu weit gegangen.“
Jess atmete aus. „Lass mich los“, befahl sie kalt und drehte sich so, dass sie ihn ansehen konnte.
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