Risotto Mit Otto
rundherum interessant und irgendwie auch faszinierend fand, war ich inzwischen sehr gespannt darauf, ihn kennenzulernen. Daher wünschte ich mir sehr, dass wir wenigstens bei meiner Abreise aus München, die in großen Schritten näher rückte, so etwas wie eine persönliche Übergabe des Zimmers hinbekamen. Ich hatte mir ganz fest vorgenommen, den Raum, den ich seit nunmehr neun Monaten bewohnte, wieder in seinen Ursprungszustand zu versetzen, und hoffte, dass es mir auch gelang. Ich hätte alles fotografieren sollen, dachte ich, da ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern konnte, wo genau die Motorradposter gehangen hatten. Aber das würde er mir bestimmt verzeihen, schließlich war er bisher alles andere als kleinlich und unflexibel gewesen.
Eines Samstagmittags, die anderen waren wieder mal alle ausgeflogen, während ich mich meinem Lieblingshobby gewidmet und ausgeschlafen hatte, wollte ich mir in der Küche einen caffè kochen und in aller Ruhe die Zeitung lesen, als ich einen merkwürdigen Geruch wahrnahm. Wenn mich nicht alles täuschte, dann stank es hier verdächtig nach Farbe. Ich wusste zwar, dass die M&Ms die Abstellkammer gestrichen hatten, aber die lag ganz am anderen Ende des Flurs. Misstrauisch folgte ich meiner Nase und entdeckte das Desaster gleich hinter der Tür. Der verzweifelte Joe Kugel saß in der Ecke und schleckte sich die Pfoten. Bis auf seinen leicht verzweifelten Gesichtsausdruck war das nichts Ungewöhnliches, allerdings waren seine Vorderpfoten nicht wie sonst weiß, sondern lindgrün. Genauso lindgrün wie die Wand in der Abstellkammer.
Nun bemerkte ich auch die Pfotenabdrücke, die von der Küche über den gesamten Flur bis in die Kammer führten. Dort stand der Farbeimer, dessen Deckel vermutlich nur aufgelegen hatte. Nun lag er neben dem Eimer, und man konnte genau sehen, wo der ungeschickte Joe Kugel darüberspaziert war. Vermutlich hatte er bei einem seiner Rundgänge durch die Wohnung den lockeren Deckel bemerkt und gleich nachgesehen, ob sich darunter etwas zu fressen verbarg. Es wunderte mich, dass ihn der intensive Geruch nicht abgeschreckt hatte, aber vielleicht tötet allzu großer Hunger bei dicken Katzen ja die Geruchsnerven ab.
»Joe, du Held! Was hast du denn da gemacht?«, sagte ich, als ich zurück in die Küche kam, und zum ersten Mal, seit ich das dicke Tier kannte, tat es mir leid. Seine Barthaare waren inzwischen ebenfalls grün, und abgesehen davon, dass er lächerlich aussah, war das Zeug sicher auch giftig. Ohne groß darüber nachzudenken, schnappte ich ihn mir und hastete mit ihm ins Bad, wobei ich den wild strampelnden und fauchenden Kater mit ausgestreckten Armen von mir weg hielt.
»He, du Knilch«, schimpfte ich lautstark, »ich will dir doch bloß helfen.«
Nachdem ich ihn in der Duschkabine eingesperrt hatte, wo er unter lautem Prostestgemaunze saß und mich finster anfunkelte, rannte ich zurück in die Küche und schnappte mir Friedrichs Gummihandschuhe und den Mundschutz, den er immer zum Staubwischen benutzte. Auf einmal war ich ihm sehr dankbar für seinen Fimmel. Nachdem ich mir auch noch meine Regenjacke angezogen hatte, fühlte ich mich für die Mission »Sauberer Joe Kugel« gerüstet.
Mit einem Glitzi-Schwamm und der Spülbürste bewaffnet, enterte ich das Bad, wo der Kater dank mehrerer Ausbruchsversuche inzwischen dezente lindgrüne Spuren hinterlassen hatte. Viel war von der Farbe nicht mehr übrig, aber ich konnte nicht zulassen, dass er sich den Rest auch noch abschleckte und sich vergiftete. Die M&Ms würden mir das nie verzeihen.
Also stieg ich zu dem kleinen, schreienden Kerl in die Dusche und tat, was ich tun musste. Es war ein harter Job. Der härteste meines Lebens.
Eine halbe Stunde später war das Bad mehr als grundreinigungsbedürftig, den Badvorleger konnte ich nur noch der Mülltonne anvertrauen, und ich hatte neben einer kompletten Flasche Shampoo auch drei der schicken cremefarbenen Handtücher verschlissen, da Joe Kugel sich nach Kräften gewehrt und sie dabei zu mehr oder minder breiten Streifen verarbeitet hatte. Offenbar wollten ihm Sinn und Zweck meiner Putzaktion nicht so richtig einleuchten. Der Ärmste war pitschnass und sah aus wie ein explodierter Flokati, dafür war er aber sauber. Nachdem ich ihn, so gut es ging, notdürftig abgetrocknet hatte, entließ ich ihn in die Freiheit, die er im Schweinsgalopp ergriff, indem er sich hinter die Couch im Wohnzimmer verzog. Dort würde er vermutlich so lange
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