Risotto Mit Otto
nicht ein. Friedrich versuchte ich ebenfalls noch einmal zu erreichen, doch sein Handy war nach wie vor ausgestellt. Zwischendurch malte ich mir aus, wie ich die Mutter der beiden anrufen und ihr die Hiobsbotschaft überbringen würde.
»Schuster«, meldete sich eine sympathische Frauenstimme in meiner Phantasie.
Ich hielt einen Moment die Luft an und versuchte, all meinen Mut zusammenzunehmen. Dabei spürte ich genau, wie mein Herz Millimeter für Millimeter in die Hose sank, und räusperte mich verlegen.
»Hallo? Ist da wer?«
»Äh, ja«, antwortete ich zögerlich. »Ich bin’s.« Wie schon bei Signor Colluti war ich mit der Situation überfordert, was ich daran erkannte, dass sich mein Selbstbewusstsein im Nu pulverisiert hatte.
»Schön. Wer ist ich?«
»Ach so, ja also, Sie kennen mich gar nicht«, begann ich stockend. »Ich rufe aus München an. Ihr Sohn Andreas …«
»Was ist mit ihm?« Frau Schuster klang alarmiert. »Was macht er in München? Ist ihm was passiert? Wo ist Friedrich?«
»Also er liegt im Krankenhaus. Hatte eine Thrombose und musste operiert werden. Friedrich … Ich …«
»Wer sind Sie eigentlich?«, fragte sie dann verwirrt. »Seine Freundin? Ich wusste gar nicht, dass er eine hat. Er erzählt mir ja nie etwas, dabei frage ich immer nach. Man will ja schließlich wissen, was der eigene Sohn so treibt.«
Da klingelte mein Handy und riss mich aus meinem Tagtraum. Ohne aufs Display zu schauen, ging ich ran. »Sì?«
»Hallo, Angela, hier ist Jan.«
»Jan, dich schickt der Himmel«, rief ich, ohne zu wissen, warum. Jan konnte in der Schweiz gewiss nichts für mich tun, dennoch war es gut, eine vertraute Stimme zu hören, auch wenn ich außer seiner Stimme und seinem Zimmer nicht allzu viel von ihm kannte.
»Was ist los? Du klingst total nervös«, fragte er.
Mit seiner besorgten Frage öffneten sich wie von selbst meine Schleusen, und mir liefen prompt die Tränen über die Wangen. Statt ihn zu fragen, warum er mich eigentlich angerufen hatte, redete ich, ohne zwischendurch Luft zu holen, auf ihn ein und wollte mich gar nicht mehr beruhigen.
»Hör zu, ich kann das mit dem Anruf bei der Mutter von Andreas gerne für dich übernehmen. Ich habe die Nummer gespeichert. Versuch du einfach weiter, Friedrich zu erreichen, und sobald du wieder was von der Klinik hörst, meldest du dich noch mal und gibst mir Bescheid, okay?«
Den schickt mir der Himmel, dachte ich erleichtert. Jan war wirklich ein echter Schatz, und ich bedauerte es sehr, dass wir uns noch immer nicht persönlich kannten. »Ja, das wäre wirklich super von dir«, sagte ich und hätte ihn küssen können, so dankbar war ich ihm.
Am Abend hatte sich die Situation schon merklich entspannt. Frau Schuster war informiert, mit Jan hatte ich auch noch mal gesprochen, Andreas war noch am Leben, und Friedrich saß jetzt vermutlich bei seinem Bruder am Krankenbett. Die M&Ms hatten groß aufgekocht, aber mir war nicht nach Gesellschaft zumute. Lieber machte ich es mir auf den Schrecken hin mit einer extragroßen Tüte Gummibärchen auf meinem Bett gemütlich und versuchte herauszufinden, wer mich hier in Deutschland eigentlich auf eine so harte Probe stellte. Mir wollte niemand einfallen außer Gott, aber dem traute ich so viel Übermut einfach nicht zu.
Gegen halb elf, ich war fast eingenickt über dem Buch, das ich zu lesen versucht hatte, klopfte es an meine Tür, und auf mein »Sì?« steckte Friedrich den Kopf herein.
»Darf ich kurz stören?«
»Na klar, komm rein.«
Er blieb an der Tür stehen und knetete seine Finger. Offensichtlich wusste er nicht so genau, wie er anfangen sollte, allerdings war die Stimmung zwischen uns so entspannt und freundlich wie während der kompletten vergangenen Monate nicht. »Ich wollte mich bedanken«, sagte er schließlich. »Du hast meinem Bruder das Leben gerettet.«
Verlegen winkte ich ab. »Das war doch selbstverständlich. Ich hätte ihn schlecht hier liegen lassen können, bis einer von euch nach Hause kommt.«
Friedrich musste tatsächlich lachen, ein völliges Novum. Dabei stand es ihm gar nicht so schlecht, und auf einmal wirkte er sogar fast sympathisch.
»Setz dich doch«, bat ich ihn, deutete auf den Schreibtischstuhl und hielt ihm die Gummibärchentüte hin. Das war ein echt hochkarätiges Friedensangebot von meiner Seite, immerhin waren mir die ungesunden Kerle heilig.
Mein Mitbewohner tat das einzig Richtige und ging darauf ein, und so gelang es uns tatsächlich,
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