Risotto Mit Otto
bleiben, bis der Hunger ihn wieder hervortrieb. Mit Sicherheit durfte ich von dem egoistischen und ausschließlich auf Vermehrung seines Körperumfangs bedachten Vieh keine Dankbarkeit erwarten, aber das war mir ausnahmsweise mal egal.
Beim Blick in den Spiegel musste ich laut loslachen. Das Vogelnest auf meinem Kopf sah wahrlich beeindruckend aus, denn die Haare hatten sich in der feuchten, warmen Luft derart gelockt, dass sie in alle Himmelsrichtungen abstanden. Kurz entschlossen stellte ich mich selbst unter die Dusche und verschob den gemütlichen Kaffee auf später, und zu meinem Erstaunen war ich nicht mal sauer auf den kleinen dicken Kerl, der ganz schön Tempo in meinen Tagesanfang gebracht hatte.
Den restlichen Tag verbrachte ich auf dem Sofa und im Bad, um mich für die abendliche Clubtour mit Elin zu rüsten. Sie hatte mal wieder eine Neuentdeckung gemacht, die wir dringend testen mussten, vor allem was den Mojito anging, den sie dort mixten. Da wir es mit dem Testen ziemlich genau nahmen, wurde es ziemlich spät, und wir waren ziemlich betrunken, als wir nach Hause kamen. Am nächsten Tag war daher erst mal ausschlafen angesagt, und obwohl ich am Sonntagnachmittag eigentlich etwas für die Uni hatte tun wollen, gab ich irgendwann frustriert auf, weil ich mich einfach nicht konzentrieren konnte. Immer wieder schweiften meine Gedanken zu Otto ab, der am Abend für mich kochen wollte. Zwischendurch überlegte ich sogar, kurzfristig abzusagen, da ich seltsamerweise keine große Lust darauf hatte, doch dann fand ich das unfair und beschloss, nicht lange zu bleiben und nach dem Essen bald zu gehen. Es kam mir fast vor wie ein lästiger Pflichttermin, und irgendwie wurde ich aus mir selbst nicht schlau.
Wie sehr ich mich im Grunde über die Essenseinladung freute, merkte ich erst, als ich am Abend mit klopfendem Herzen und einer Flasche Orvieto Classico in der Hand vor der Tür der Nachbar-WG stand und darauf wartete, dass Otto mir öffnete.
Ich fiel ihm spontan um den Hals und drückte ihm einen dicken Kuss auf die Wange, so froh war ich über den Schritt, den er wieder auf mich zu gemacht hatte. Zwar hätte ich es mir niemals einzugestehen gewagt, doch in der Tiefe meines Herzens wusste ich ganz genau, dass ich ihn in den letzten Wochen schmerzlich vermisst hatte.
»He, langsam«, sagte er lachend, »oder willst du mich umwerfen?«
Fast hätte der Blick, mit dem er mich dabei bedachte, mich umgeworfen. Irgendwie war das seltsam mit Otto. Die ganze Zeit über war ich felsenfest davon überzeugt, dass er nichts weiter für mich war als ein Freund. Ein guter Freund, vielleicht sogar ein sehr guter, aber eben nur ein Freund. Also kein Mann, mit dem ich eine Beziehung eingehen würde. Dazu war er mir zu nett, zu hilfsbereit, irgendwie zu … harmlos. Seine Fürsorge, sein offenes Ohr für alle meine Sorgen und die überbordende Hilfsbereitschaft waren zwar ganz wunderbar, aber sie machten ihn als Mann automatisch weniger interessant. Irgendwie unerotisch. Für mich jedenfalls. Ich bin mir nicht sicher, wie die deutschen Frauen das sehen, aber wir Italienerinnen brauchen, glaub ich, schon einen gewissen Machofaktor bei einem Mann. Davon war Otto Lichtjahre entfernt. Dennoch war ich mir da auf einmal nicht mehr ganz sicher – besonders seit Beate mir erzählt hatte, dass Otto verliebt sei.
Für einen Sekundenbruchteil, der mir vorkam wie eine halbe Stunde – mindestens –, sahen wir uns tief in die Augen, und mein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Ich war tatsächlich zum ersten Mal in meinem Leben eifersüchtig. Noch dazu auf eine Unbekannte. Das war neu. Und unangenehm. Dass Otto sich in letzter Zeit so von mir zurückgezogen hatte, war dem Ganzen nicht gerade zuträglich gewesen, denn je mehr er auf Abstand gegangen war, desto mehr hatte er meine Gedanken beherrscht. Bisher war Otto immer für mich verfügbar gewesen, egal ob ich Hilfe am PC, etwas Warmes zu essen oder eine Schulter zum Ausweinen gebraucht hatte, und ich hatte mir über ihn nicht weiter den Kopf zerbrochen. Wenn ich ihn brauchte, war er da, und damit fertig. Seit er mir diesen »Zugriff« auf seine Person jedoch verwehrte, war es, als hätte jemand in meinem Innern einen Schalter umgelegt. Es war, als würde Robbie Williams ein Clubkonzert vor zweihundert Leuten geben, bei dem sich alle um die Tickets rissen und im Internet plötzlich absolute Mondpreise dafür verlangt werden konnten. Raritäten sind eben teuer, das gilt
Weitere Kostenlose Bücher