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Risotto Mit Otto

Titel: Risotto Mit Otto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Troni
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schon wach war und unsere Küchenschränke nach einem Glas Nutella absuchte, rettete mich aus meiner Notlage. Wir drapierten einfach ein buntes Tuch über die beiden Nägel, da wir so schnell keinen Ersatz fanden, und tranken noch schnell gemeinsam einen Kaffee. Beate schlief noch, da sie erst gegen halb neun an der Uni sein musste. Ich schob mir gerade einen Löffel von Friedrichs Lieblingsjoghurt in den Mund, den ich mir ohne einen Funken schlechten Gewissens genehmigte, da er in einem Tag ablief, als es klingelte.
    Isabelle und ich sahen uns vielsagend an. Dann warf ich einen Blick auf die Küchenuhr: 05.53 Uhr.
    »Deine Mutter?«, fragte sie.
    »Kann eigentlich nicht sein.«
    Ich saß da, als bekäme ich in diesem Leben nichts mehr zu essen, wenn ich mich als Erste bewegte, und lauschte in die Stille. Mit jeder Sekunde, die verstrich, war ich mir weniger sicher, ob ich mir die Ankunftszeit des Zuges richtig notiert hatte. Dabei hätte ich mich eigentlich noch erinnern müssen, wann ich damals in München angekommen war. Sofern mich nicht alles täuschte, traf der Nachtzug aus Bologna um Punkt halb sieben ein. Hatte ich mich etwa um eine Stunde vertan? Ich traute es meiner Mutter durchaus zu, dass sie sich einfach ein Taxi genommen hatte, statt anzurufen, weil sie davon ausging, dass ich mich nicht traute, ihr nach all dem Ärger unter die Augen zu treten. Wir hatten seit meinen Streitgesprächen mit babbo nur zweimal sehr kurz telefoniert und die wichtigsten Details besprochen. Dabei war sie, die ich zu den Menschen mit dem größten Redebedarf in ganz Italien zählte, jedes Mal extrem kurz angebunden gewesen, und das war kein gutes Zeichen. Damit konnte ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass mir von ihrer Seite ebenfalls eine Standpauke blühte, die ich meinem ärgsten Feind nicht gewünscht hätte.
    Mir war klar, dass ich mich allmählich mal rühren und an die Tür gehen sollte, daher stand ich mit einem mulmigen Gefühl im Magen auf.
    »Bist du bereit?«, fragte ich Isabelle im Flüsterton, und nachdem sie genickt hatte, atmete ich tief durch und ging zur Wohnungstür. Ich setzte mein unschuldigstes, strahlendstes Lächeln auf, rief in möglichst unbeschwertem Ton: »Ciao, mammina, come stai? Tutto bene?« , und riss mit Schwung die Tür auf.
    Das letzte Wort wäre mir fast im Hals steckengeblieben, denn vor mir stand wider Erwarten nicht meine Mutter, sondern ein eher kleiner, extrem schlanker junger Mann mit strahlend blauen Augen, den ich irgendwo schon mal gesehen hatte. Ich wusste nur beim besten Willen nicht mehr, wo. Mit offenem Mund starrte ich auf die Hand, die er mir entgegenstreckte.
    »Danke, mir geht’s gut, um auf deine Frage zu antworten, auch wenn du nicht mich gemeint hast.« Er grinste leicht verlegen, und ich grinste mindestens so verlegen zurück. »Ich bin übrigens Jan«, fügte er noch hinzu.
    »Angela«, sagte ich nur und schüttelte ihm mechanisch die Hand.
    »Das dachte ich mir schon. Schöne Frauen waren zu meiner Zeit eher Mangelware in dieser Wohnung, und ich glaube nicht …« Er stutzte, sah mir so tief in die Augen, dass mir ganz mulmig wurde und ich mich am Türrahmen festhalten musste, und meinte: »Sag mal – kennen wir uns irgendwoher?«
    »Vom Telefon?«, schlug ich vor, da mir wahrlich nichts Blöderes einfallen wollte. Ich stand da wie bestellt und nicht abgeholt und bemühte mich, ein nicht allzu dämliches Gesicht zu machen. Das ist also Jan, dachte ich und war zugegebenermaßen leicht enttäuscht. Irgendwie hatte ich ihn mir anders vorgestellt. Nicht so klein, nicht so schlaksig, nicht so blond. Von dem großen Unbekannten, den ich bei unseren Telefonaten immer vor mir gesehen und der meinem Idealbild von einem Mann voll und ganz entsprochen hatte, war nicht mehr viel übrig.
    »Nein, nein, nicht vom Telefon«, sagte er. »Ich habe den Eindruck, als wären wir uns schon mal irgendwo begegnet, ich weiß bloß nicht, wo.« Diesmal musterte er mich von Kopf bis Fuß, und ich wäre am liebsten im Erdboden versunken.
    Seltsam, dachte ich, wieso haben wir beide den gleichen Gedanken? Bisher hatten wir uns stets verpasst und nur miteinander telefoniert, aber vielleicht waren wir uns schon mal im selben Club oder auf derselben Party über den Weg gelaufen, ohne uns zu erkennen?
    »Sorry, dass ich euch hier mitten in der Nacht aufgeschreckt habe«, riss Jan mich aus meinen Gedanken, »aber ich bin mit dem Nachtzug zu einer Tagung

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