Risotto Mit Otto
angereist, die in letzter Minute abgesagt wurde. Da wollte ich den freien Tag nutzen, um euch einen Besuch abzustatten, bevor ich heute Nachmittag wieder zurückfahre. Sind die M&Ms noch da, oder habe ich sie verpasst, weil sie heute auf dem Großmarkt sind? Jedenfalls dachte ich mir, ich komme spontan zum Frühstück vorbei. Ich hab nur leider meinen Schlüssel nicht dabei, daher musste ich klingeln.« Er hielt mir eine Papiertüte unter die Nase, der ein verführerischer Duft nach Brötchen und cornetti entströmte.
Ich starrte erst die Tüte und dann ihn wie gebannt an, unfähig, auch nur ein Wort zu sagen. Wieso kam er ausgerechnet am selben Tag wie meine Mutter nach München? Noch dazu genau wie sie mit dem Nachtzug? Waren die beiden etwa zusammen gereist und hatten sich zufällig kennengelernt? Was hieß hier zufällig? Zufälle gibt es nicht, das hatte ich inzwischen begriffen. Ansonsten begriff ich hier jedoch gar nichts mehr und war gelinde gesagt total überfordert.
»Schön, dass wir uns endlich mal persönlich kennenlernen«, fügte Jan hinzu, da ich keine Anstalten machte, seinen Monolog in einen Dialog zu verwandeln. »Darf ich reinkommen?«
»Oh, na klar.«
Wie von unsichtbaren Fäden gezogen, trat ich zur Seite und ließ ihn durch. Dabei landete ich mit der Nase an seiner Schulter, und als ich seinen Geruch wahrnahm, durchzuckte es mich, und ich wusste plötzlich, woher ich ihn kannte. Er war der Typ, dem ich bei meiner Ankunft in München den Kaffee übergeschüttet hatte. Madonna mia!, hoffentlich erkannte er mich nicht. Ausgerechnet das war Jan! Der Mann, dem ich verdankte, dass meine erste Begegnung mit einem Einheimischen nicht zu den glücklichsten gehörte. Ich wollte mich gerade in eine Panikattacke hineinsteigern, doch zum Glück kam ich gar nicht erst dazu, nervös zu werden und mich womöglich dadurch zu verraten.
Isabelle kam aus der Küche gestürmt und stürzte mit ausgebreiteten Armen auf Jan zu. »Hallo, das ist ja mal eine schöne Überraschung«, rief sie, und die beiden umarmten sich.
»Allerdings«, erwiderte Jan verwundert. »Hab ich etwa an der falschen Tür geklingelt, oder bist du inzwischen hier eingezogen?«
Isa lachte nur, schob ihn in die Küche und erklärte ihm bei einem Kaffee, was Sache war. Gebannt hörte er ihr zu, als sie mein Dilemma schilderte, und bot spontan an, das Spiel mitzuspielen und sich als Vermieter auszugeben, der die Wohnung in Augenschein nahm, um meine Mutter von der Seriosität meiner Wohnsituation zu überzeugen. Ich war sprachlos. Warum tat er das? Jan schlug tatsächlich vor, nach nebenan zu gehen, sobald er seinen Kaffee ausgetrunken hatte, und kurz nach acht noch mal bei uns zu klingeln, wenn ich und meine mamma angekommen waren. In dem Anzug und der Krawatte, die er vermutlich für den Kongress angelegt hatte, wirkte er seriöser als sieben Signor Collutis zusammen.
Isabelle war sofort begeistert von seinem Angebot, während mir das alles unendlich peinlich war und ich tief über meinen Teller gebeugt dasaß und mir ständig die Haare ins Gesicht zupfte. Dabei betete ich stumm zur Muttergottes und allen Heiligen, die mir einfallen wollten, diesem hilfsbereiten und sympathischen Typen, der mir gegenübersaß und überlegte, wie er mir am besten den Hintern retten konnte, möge bloß nicht einfallen, woher er mich kannte. Sonst überlegte er es sich am Ende noch anders. Als es Zeit war, zur S-Bahn zu gehen, stürmte ich geradezu aus dem Haus und war heilfroh, dieser schier unerträglichen Situation zu entkommen.
Zwei Stunden und siebzehn Minuten später beschlich mich exakt das gleiche Gefühl noch einmal, nur sah ich diesmal leider keine Möglichkeit, der Situation zu entfliehen. Die gesamte Aktion drohte in die Hose zu gehen. Mamma, die mir auf dem ganzen Weg vom Bahnhof bis in die Wohnung eine Moralpredigt vom Feinsten gehalten hatte, schien nicht nur gegen meine Argumente und Beschwichtigungsversuche resistent zu sein, sondern auch gegen Jans Charmeoffensiven und seine hervorragend gespielte Seriosität. Ich verspürte fast körperliche Schmerzen, je länger er sich Mühe gab, meine störrische Mutter davon zu überzeugen, dass ich hier mit Isabelle und Beate einen hochanständigen Haushalt führte. Doch mamma blieb mehr als skeptisch.
»Madonna mia« , hatte sie schon nach dem Aussteigen aus der S-Bahn gesagt, »was ist das denn für eine Gegend, in der du hier wohnst, Kind?«
Darum bemüht, die Emotionen sowohl bei mir als auch
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