Risotto Mit Otto
Lagebericht hingen dann alle weiteren Entscheidungen des Familienrates ab. Auweia! Immerhin hatte ich babbo inzwischen davon überzeugen können, dass Colluti alles andere als ein vertrauenswürdiger Mensch war. Es hatte eine Weile gedauert, bis mein Vater mir zugehört hatte, da er fest davon überzeugt war, ich hätte mir die ganze Geschichte bloß ausgedacht, um von meinen eigenen Schandtaten abzulenken. Er sagte allen Ernstes »Schandtaten«, und ich kam mir vor wie eine Schwerverbrecherin. Meinen vermeintlichen Vermieter wollte babbo noch mal anrufen, um in Ruhe mit ihm zu sprechen. Sollte er tatsächlich den Eindruck gewinnen, dass wir einem Betrüger auf den Leim gegangen waren, würde ich hier in München bei der Polizei Anzeige erstatten.
Um meiner Familie in nichts nachzustehen, vor allem aber um meinen eigenen Hintern doch noch irgendwie zu retten, trommelte ich ebenfalls kurzfristig für den nächsten Tag einen Krisenstab zusammen. Zum Glück hatten alle Zeit. Selbst mein ehemals verhasster Mitbewohner hatte den Ernst der Lage erfasst und wollte sich meine Sorgen zumindest mal anhören. So saß ich mit Elin, Beate, Isabelle, den M&Ms, Otto und Friedrich am Mittwochabend bei Antipasti, Weißbrot und einem kräftigen Chianti in unserer Küche um den runden Glastisch, um einen Schlachtplan auszuarbeiten. Selbst Joe Kugel hatte beschlossen, die Runde durch seine Anwesenheit zu beehren, und saß dösend auf der Fensterbank.
Im Nu entbrannte eine lautstarke Diskussion, und alle redeten hektisch durcheinander. Die Vorschläge wurden immer abstruser, und ich stand mal wieder kurz vor einem original italienischen Temperamentsausbruch, der nichts weiter war als meine getarnte Verzweiflung, als Marcus mit seiner Idee dem Ganzen die Krone aufsetzte.
»Liebelein, ich hab’s!«, rief er plötzlich, und alle am Tisch verstummten, weil er vor Aufregung oder Begeisterung oder beidem aufgesprungen war. »Wir drei verkleiden uns einfach als Frauen«, wandte er sich an Friedrich und Mike. »Ich hab da noch jede Menge tolle Fummel von Fasching und dem Christopher Street Day. Ich würde euch sogar schweren Herzens meine Stilettos vom Tuntenlauf leihen, wenn ihr versprecht, gut drauf aufzupassen.«
Mike hob nur feixend die Augenbrauen, während Friedrich die nackte Panik ins Gesicht geschrieben stand. »Auf gar keinen Fall«, sagte er, stand auf, murmelte etwas von »Muss aufs Klo«, und weg war er.
Damit war er schon mal aus dem Rennen und ich so weit wie nie vom Zieleinlauf entfernt. »Wie soll das denn gehen?«, fragte ich. »Meine Mutter ist zwar Italienerin, aber auf den Kopf gefallen ist sie nicht. Sie wird sofort merken, was hier gespielt wird, und dann wird sie richtig sauer. Das kann ich unmöglich riskieren.«
Elin war da ganz meiner Meinung. »Du siehst bestimmt super aus als Frau, Marcus, aber wenn das auffliegt, ist Angela erst recht dran.«
»Könntest du nicht mit Otto das Zimmer tauschen?«, schlug Isabelle vor. »Dann tun wir einfach so, als würdest du bei uns wohnen, und machen einen auf Weiber-WG.«
»Jaaaaaaaaaaaaaaaaaa«, brüllte ich deutlich lauter, als nötig gewesen wäre, woraufhin auch Joe Kugel beschloss, sich in Sicherheit zu bringen, und mit einem Riesensatz aus der Küche stürmte.
»Super, das ist die Lösung!«, rief Beate, ebenfalls ganz begeistert. »Sofern Otto mitmacht«, schob sie sogleich hinterher und warf ihm einen fragenden Blick zu.
Zum ersten Mal seit dem emotionsgeladenen Risotto-Essen sahen wir uns wieder, und ich fühlte mich alles andere als wohl in meiner Haut. Otto dagegen ließ sich nicht das Geringste anmerken, und ich vermochte nicht einzuschätzen, wie es ihm damit erging.
»Daran soll’s nicht scheitern, allerdings gibt es da ein kleines Problem.« Otto war sichtlich skeptisch. »Ich bin gegen die Katze allergisch, und wenn ich länger als vier, fünf Stunden hier in der Wohnung bin, bekomme ich einen Erstickungsanfall, der sich gewaschen hat. Länger wirken meine Allergietabletten einfach nicht, drei Tage am Stück halte ich das auf gar keinen Fall aus.« Er zögerte, und es war ihm sichtlich unangenehm, dass er mir in diesem Punkt nicht weiterhelfen konnte. »Ich könnte höchstens zu Tobi ziehen. Wenn ihr wollt, rufe ich ihn gleich mal an.« Er war schon im Begriff aufzustehen.
»Nein, das kommt keinesfalls in Frage«, sagte ich schnell. Otto hatte wahrlich genug für mich getan. Außerdem war ich gerade dabei, das Gefühlschaos in mir zumindest halbwegs
Weitere Kostenlose Bücher