Risotto Mit Otto
zu bewältigen, und konnte einen Rückschlag beim besten Willen nicht gebrauchen. »Es muss noch eine andere Lösung geben«, schob ich daher schnell hinterher.
Mike, der die ganze Zeit eher still dabeigesessen und uns zugehört hatte, meinte nun: »Wenn wir hier eh schon einen auf Frauentausch machen, wieso ziehen wir dann nicht für die drei Tage nach nebenan, und Isabelle und Beate nehmen unser Zimmer?«
»Zu zweit in einem Zimmer?«, rief Beate. »Mit Isabelle? Niemals!«
Isa stemmte empört die Hände in die Hüfen. »Also hör mal, ich dachte, wir wären Freundinnen.«
»Das sind wir auch – noch.« Beate feixte und warf Isabelle eine Kusshand zu.
»Also gut, dann überrede ich eben Friedrich, dass er einen Tag früher nach Hause zu seinen Eltern fährt, damit ihr beide Zimmer zur Verfügung habt. Ich glaube, er wollte am Freitagmorgen los. Ich gehe gleich mal rüber und frag ihn.« Damit stand Mike auf und begab sich auf seine schwierige Mission.
»Dann müssen wir aber losen, wer in Friedrichs Zimmer schlafen muss«, sagte Isabelle und verzog leicht angewidert die Mundwinkel. »Freiwillig geh ich da nicht rein.«
»Du verlangst uns ganz schön was ab, Liebelein«, meinte Marcus und streichelte mir über die Wange. »Aber keine Sorge, wir lassen dich nicht hängen. Wirst sehen, deiner mamma wird’s hier so gut gefallen, dass sie gar nicht mehr wegwill.«
»Bloß nicht!«, sagte ich und musste mir vor Rührung und Dankbarkeit, weil sich alle so sehr um mich bemühten, eine Träne aus dem Augenwinkel wischen. Ich war in Deutschland zu einer waschechten Heulsuse mutiert.
»Das kriegen wir schon hin«, meinte auch Otto und zwinkerte mir auffordernd zu, was mir sofort wieder den altbekannten Stich versetzte. »Komm, trink erst mal noch ’nen Schluck Wein.« Er griff zur Flasche und schenkte mir nach.
Vermutlich stimmt es doch, was man immer über die Deutschen hört, dachte ich. Am Anfang sind sie ein bisschen spröde und nicht sonderlich zugänglich, aber wenn sie dich erst mal ins Herz geschlossen haben, tun sie alles für dich. Echte Freunde fürs Leben eben, auf die man sich in Notsituationen verlassen kann, und nicht nur Leute, die bei jeder Party dabei sind und vor allem bella figura machen, aber einen im Ernstfall hängenlassen und verraten. Der Seitenhieb auf Vale zeigte mir, dass ich noch immer an dem Verrat zu knabbern hatte, auch wenn ich im Grunde genommen genau wusste, dass ich in ihrer Lage vermutlich ganz genauso gehandelt hätte.
Keine fünf Minuten später stand Mike wieder in der Küchentür und machte das Victory-Zeichen. »Alles klar, Friedrich spielt mit«, sagte er, als würde er die Deutsche Einheit verkünden. »Er übernachtet heute bei einem Freund und fährt morgen dann von dort los. Das ist ein echter Freundschaftsbeweis an dich, Angela«, fügte er noch hinzu.
Ich nickte nur beschämt, denn ich war mir nicht sicher, ob ich das Gleiche für Friedrich getan hätte. Doch ehe ich darüber nachdenken und mir etwas eingestehen konnte, was nicht zwingend für mich sprach, brach lauter Jubel aus, und wir fielen uns alle um den Hals. Dann stürmten wir zu siebt die Nachbarwohnung, um den Umzug vorzubereiten. Mamma würde genau wie ich in aller Frühe mit dem Nachtzug ankommen, daher war die Zeit ohnehin schon sehr knapp.
Um halb drei Uhr morgens fiel ich todmüde ins Bett. Wir hatten stundenlang geräumt und geschleppt, und ich hatte schon befürchtet, dass Frau Griesmayer irgendwann wutentbrannt vor der Tür stehen würde – im schlimmsten Fall gleich mit der Polizei, wegen nächtlicher Ruhestörung –, doch es ging alles glatt. Eigentlich hätte ich die Nacht auch durchmachen können, denn ich war von der Aktion so aufgedreht, dass ich ohnehin kein Auge zutun konnte. Ständig überlegte ich, ob wir nichts übersehen oder vergessen hatten, denn ich vermochte mir keine größere Schmach vorzustellen, als an der Hand meiner Mutter München zu verlassen und unfreiwillig in den Schoß meiner mich behütenden Familie zurückzukehren. Immerhin lenkte mich die Aufregung um mammas Ankunft von meinen Grübeleien über Otto und mich ab.
Als ich kurz darauf völlig gerädert aufstand, fiel mir siedend heiß ein, dass wir vergessen hatten, die vielen Fotos von den Reisen der M&Ms, die in der Toilette in einem riesigen Rahmen hingen, zu entfernen. Hektisch versuchte ich, das riesige Ding abzuhängen, doch es war so schwer, dass ich es nicht alleine schaffte. Isabelle, die ebenfalls
Weitere Kostenlose Bücher