Risotto Mit Otto
sofort die Tränen in die Augen steigen. Ich fühlte mich hundeelend, und zu allem Übel schlich sich, als ich kurz zur Toilette ging, auch noch das dicke Katzentier in mein Zimmer und versteckte sich wohl zum x-ten Mal hinterm Kleiderschrank. Es war, als würde meine Abneigung Joe Kugel geradezu magnetisch anziehen, oder hatte Friedrich ihm etwa einen Chip eingebaut? Jedenfalls hatte ich nicht die Kraft, ihn wieder aus dem Zimmer zu verscheuchen, und ergab mich in mein Schicksal – samt Katze. Das Leben im kalten Deutschland ersparte mir echt gar nichts.
So hatte ich mir die große, weite Welt nicht vorgestellt. In meinen Träumen war ich in München von einer Party zur nächsten gestolpert, hatte viele nette Leute kennengelernt, das Nachtleben in vollen Zügen genossen, die deutschen Jungs an der Nase herumgeführt und nebenbei ein bisschen studiert – wenn mir danach war. Stattdessen fanden die coolen Partys ohne mich statt, mein Nachtleben verbrachte ich auf Jans Kopfkissen, und die deutschen Jungs benutzten mich als Spielball. Na ja, zumindest das mit den netten Leuten hatte doch schon ganz gut geklappt. Elin, Isabelle und Beate mochte ich wirklich gern, und auch Otto war ein richtig lieber Kerl.
Ich kramte in der Schreibtischschublade nach den Heimwehpillen, die er mir letztens als Nachtisch zum Risotto mitgebracht und die ich – che vergogna! – erst am Tag danach entdeckt hatte. Die Pfefferminzpastillen mit Schokogeschmack waren wirklich super lecker und auch der Zettel, den Otto dazu geschrieben hatte, war echt süß: »Für Angela – als vorbeugende Maßnahme. Nicht dass du zu deiner Erkältung auch noch an Heimweh erkrankst. Gute Besserung!«
Otto war echt ein Schatz, er konnte nicht nur gut kochen, sondern hatte auch immer ein offenes Ohr für die Probleme anderer, war obendrein hilfsbereit, witzig, intelligent, und als hässlich konnte man ihn auch nicht gerade bezeichnen, nur irgendwie war er viel zu … nett. Harmlos. Wie ein großer Bruder.
Wenn ich mich doch nur in Otto verliebt hätte anstatt in Ben, dachte ich. Ich konnte mir ja auch nicht erklären, warum ich eher auf Arschlochtypen wie Ben stand als auf nette Jungs wie meinen Nachbarn. Ich seufzte. So sind wir Frauen nun mal: total schizophren!
»Jetzt aber Schluss mit diesen trübsinnigen Gedanken«, sagte ich laut und erschrak, weil ich schon wieder Selbstgespräche führte. Das muss an dem Wetter hier liegen, sagte ich mir und stand mit Schwung auf. Jeden Tag mit einem Lächeln beginnen, ermahnte ich mich und übte sicherheitshalber ein paar Grimassen vor dem kleinen Spiegel, der gleich neben dem Bett hing. Nur damit ich morgen früh wusste, wie das Ganze auszusehen hatte, und ich ab sofort nur noch Glück und Freude erntete, statt immer nur Chaos zu säen.
Ich beschloss, ein paar Entspannungsübungen zu machen, um mich auf andere Gedanken zu bringen, und obwohl mein inneres Gleichgewicht in den letzten Wochen erheblich zu kurz gekommen war, klappte es nicht ganz so schlecht wie befürchtet. Ich war durchaus mit mir und dem Ergebnis zufrieden, schließlich war ich nicht der Dalai Lama und musste meinem Ruf als Ikone der Gelassenheit in jeder Lebenslage gerecht werden.
Danach legte ich mich noch in die Badewanne und gönnte meinem Körper eine Rundumerneuerung. Dass ich deshalb leider das Bad für knapp zweieinhalb Stunden blockieren musste, focht mich nicht weiter an. Friedrich, der in immer kürzeren Abständen an die Tür klopfte und ebenfalls Bedarf an Körperpflege anmeldete, musste eben warten. Als ich das Bad verließ, achtete ich sorgsam darauf, dass noch genügend Haare im Abflusssieb und nasse Fußtapser auf den teuren Fliesen zurückblieben, damit er sein schlechtes Bild von mir nicht überraschend korrigieren musste.
Danach rief ich bei meinen Eltern an und quatschte ausgelassen mit Laura und Paola, bis babbo ihnen nach fünf unbeachtet gelassenen Ermahnungen das Telefon wegnahm und unserer fröhlichen Dreierrunde ein unfröhliches Ende bereitete. Zum Glück wollte er weder Signor Colluti sprechen noch stellte er mir sonst irgendwelche unangenehmen Fragen, ehe er den Hörer kurz an mamma weitergab, die mir binnen einer Minute den kompletten Dorfklatsch berichtete, nicht ohne vorwurfsvoll anzumerken, dass ich wieder mal gar nichts von mir erzählte.
Alles in allem nahm dieser chaotische Tag damit doch noch ein gutes Ende, und ich sank am Abend todmüde ins Bett.
Danach war erst mal Wochenende, und ich
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