Risotto Mit Otto
Überzeugung des italienischen Mannes als solchem liegt, dass er jede Frau rumkriegen kann, selbst die unnahbarste und sprödeste. Nichtsdestotrotz wissen meine in dieser Hinsicht äußerst sensiblen Landsmänner genau einzuschätzen, wann eine Frau selbst für das beste Kompliment nicht empfänglich ist und sie sich ihr salbungsvolles Gesäusel besser sparen können. Das macht die jahrelange Erfahrung. Sie sind eben Profis.
Nicht so mein Gegenüber. Zielsicher strebte er die nächste verbale Entgleisung an und öffnete den Mund, um erst mal Luft – und vermutlich Mut – zu schöpfen.
Verzweifelt beschloss ich, die Flucht nach vorne anzutreten und so zu tun, als hätte ich weiter oben auf der Treppe einen Bekannten entdeckt. Doch wir steckten fest. Wieso geht das denn hier nicht vorwärts?, schimpfte ich innerlich vor mich hin. Mussten die den Kaiserschmarrn etwa noch anrühren? Oder die Äpfel fürs Kompott vom Baum pflücken?
»Haben wir uns nicht schon mal irgendwo gesehen?«, fragte er schließlich nach längerem Überlegen. Die Originalität seiner Frisur stand offenbar in diametralem Gegensatz zu seinem Repertoire an Anmachsprüchen. Himmel, diese Deutschen waren aber auch wirklich phantasielos und begriffsstutzig obendrein. Merkte er denn nicht, dass jede Silbe seiner ebenso kunstvoll formulierten wie wohlüberlegten Sätze an mich verschwendet war?
»Ganz sicher nicht«, gab ich kurz angebunden zurück, kramte demonstrativ in meiner wie immer übervollen Tasche nach meinem Handy und fing an, eine SMS an Vale zu tippen.
Mein Gegenüber, einmal mutig geworden, ließ jedoch so schnell nicht locker und startete einen neuen Versuch. »Wie machst du eigentlich Apfelmus?«
Mir wäre fast das Handy aus der Hand gefallen, und ich starrte ihn an, als hätte er mich gerade gefragt, ob ich ihm meine BH-Größe nennen könne. »Was?«, sagte ich nur, den Blick auf seinen Dreitagebart gerichtet, damit ich ihm ja nicht in die Augen sehen musste.
»Na, Apfelmus. Das gibt’s doch heute zum Kaiserschmarrn.« Er deutete zaghaft die Treppe empor, wo das Essen mit Schwung serviert wurde.
»Äh, gar nicht.«
»Ach so.«
Ich schwieg und tippte einfach weiter.
»Na dann …« Damit drehte er sich um und stürmte mit hochrotem Kopf die Treppe hinauf, wobei er sich an einigen Wartenden vorbeidrängelte. Die empörten Rufe ignorierend, schnappte er sich ein Tablett und zog mit seinem Kaiserschmarrn von dannen.
Kurz darauf war ich an der Reihe und untersuchte erst mal das Tablett, das ich aus dem Stapel zog, auf Essensreste von der Mahlzeit meines Vorgängers. Nachdem ich es als verwendbar eingestuft hatte, klatschte mir die Angestellte eine Schöpfkelle Apfelmus und eine Miniportion Kaiserschmarrn in die Kuhlen des Tabletts. Offenbar war der Andrang größer als erwartet, und sie musste haushalten. Dann deutete sie mit einem unwirschen Winken an, dass ich mich hier keine Sekunde länger als nötig aufzuhalten hätte, und ich beschloss, der Aufforderung um des lieben Friedens willen unverzüglich Folge zu leisten.
An der Kasse hielt ich routiniert und lässig mein Portemonnaie auf das Lesegerät. Otto hatte mir mal wieder seine Legic-Karte geliehen, auf der angeblich noch genügend Guthaben war, außerdem wusste ich inzwischen, wie die Chose funktionierte. Von wegen: Es geschah nichts. Eigentlich hätte der Preis für den Kaiserschmarrn einfach abgebucht werden müssen, doch der Piepton für die erfolgte Transaktion ließ auf sich warten. Leicht nervös startete ich einen zweiten Versuch. Wieder nichts. Hektisch öffnete ich meine Geldbörse, als mir einfiel, dass ich die Karte einfach in meine Handtasche geworfen hatte. Mit hochrotem Kopf fing ich an, in der riesigen Tasche zu wühlen. Meine Güte, was war da bloß alles drin? Kein Wunder, dass mir ständig die Schultern weh taten. Wieso schleppte ich eigentlich seit Wochen den Schlüsselbund für die Wohnung in Riccione mit mir herum? Die riesige Dose Haarspray, die die halbe Tasche einnahm, war auch schon seit letztem Dienstag leer. Zwischen Wimperntusche, Tempos, Handy, Heftpflaster, Ersatzunterhose (ich ging nie ohne aus dem Haus), einer Notration Gummibärchen, Taschenlampe, Notfalldecke, Minideo, diversen Kugelschreibern, Kondomen (man kann nie wissen), Kaugummis, meinem Adressbuch, Lippenstift, Lipgloss, Lippenkonturenstift, Kajalstift, zwei Haarbürsten (wieso eigentlich zwei?), Tesafilm, Nähset, Tränengas, Handcreme und Taschenmesser fand ich die
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