Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)
ein Pistolenschuß.
Ohrfeigen lagen in der Luft.
Ich ging zur Theke vor. Agneta Tillich blieb, wo sie war.
– Wie ich höre, haben Sie Schwierigkeiten mit diesen Herren, sagte ich in eiskaltem Ton zum Portier.
– Nanu, was is denn das für’n Scheißkerl, sagte der Kraushaarigste und brachte sein schnapsstinkendes, verzerrtes Gesicht gefährlich nah an meins.
Ich überwand die Versuchung, ihm direkt eine ins Gesicht zu schmettern, was mir nicht leichtfiel, da Hohn mich immer schon wahnsinnig wütend gemacht hat.
Ich ignorierte diesen Calibantypen völlig, fixierte statt dessen den Portier und sagte in einem entschiedenen Ton:
– Ich möchte die Anmeldeformulare dieser Herren sehen.
Der Portier veränderte sich sehr. Er wurde wieder ganz ruhig, verbeugte sich leicht und sagte:
– Einen Augenblick bitte, mein Herr.
– Danke, sagte ich. Noch immer schenkte ich den beiden nicht die geringste Aufmerksamkeit. Ich hörte sie hinter meinem Rücken flüstern.
Einen Augenblick später waren sie draußen im Schneegestöber. Ohne Gepäck und alles.
Als der Portier zurückkam, mit spitzen Fingern die Anmeldeformulare haltend, waren sie so total verschwunden, als wären sie nur ein Traum gewesen.
– Danke, sagte ich, jetzt brauche ich sie nicht mehr. Ich glaube nicht, daß sie wiederkommen.
– Das ist aber merkwürdig, sagte der Portier.
– Gute Nacht, sagte ich.
Agneta Tillich, die offenbar nicht genug gehört hatte, um das Gespräch zu verstehen, sah mich großäugig und etwas ängstlich an:
– Aber wie um Himmels willen hast du das nur gemacht? Wovor haben sie denn solche Angst gekriegt?
– Oh, sagte ich. Das ist nur ein Trick. Ich bin heute nachmittag im Zug darauf gekommen. Er beruht darauf, daß offenbar niemand ein reines Gewissen hat. Jeder, wie betrunken und unangenehm er auch sein mag, scheint nur darauf zu warten, daß es ihn irgendwann mal erwischt.
– Toll, sagte sie. Und auf der Treppe, amüsiert, zögernd:
– Du bist wohl eigentlich ein bißchen verrückt. Oder?
Sie sagte das sehr hoffnungsvoll.
Das Schneetreiben läßt langsam nach
Das schwache Zittern, mit dem der zweite Torpedo Rohr drei auf seinem 1200 Meter langen Weg zu dem hoch aufragenden Schiffsrumpf im Osten verließ, durchlief das ganze U-Boot. Dann wurde es sehr still. Lautlos zählte ich die Sekunden. Die wäßrig blauen Augen des Matrosen am Sehrohr starrten unentwegt in die meinen, ich dachte, was sind das nur für verdammt leere, verdammt wäßrige Augen, und konnte nicht kapieren, was sie eigentlich mitzuteilen versuchten, aber irgendwas war es.
Man sollte eigentlich einen Hund haben, dachte ich. Aber es ist schwierig für den Kommandanten eines U-Boots des Dritten NATO-Geschwaders, sich einen Hund zu halten. Er könnte höchstens jeden vierten Tag auf Deck spazierengeführt werden. Es würde den Hund hysterisch machen, so lange hintereinander unter Deck eingesperrt zu sein. Der Hund könnte leicht bei seinem Spaziergang von Deck gespült werden, der Hund könnte seinen Freßnapf unter der Kapitänskoje haben...
Wie ein dumpfer Zimbelschlag, gleichsam gedämpft durch meterdicke Watteschichten, kam die erste Detonationswelle durchs Wasser. Der Torpedo hatte getroffen! Und das war noch nicht alles! Jetzt kam ein starker Stoß nach dem anderen durchs Wasser, etwas gedämpfter, etwas ferner.
Wir warten noch drei Minuten, dann gehen wir auf Sehrohrtiefe, dachte ich...
Agneta Tillichs tiefblaue, sehr ernste Augen sahen in die meinen. Wir lagen in dem Hotelbett. Ich war gar nicht dazu gekommen, ihr den Büstenhalter abzunehmen, der aus sehr feiner brauner Seide war, von dieser neuen, leichten Art. Es war alles sehr schnell gegangen. Ich glaube ehrlich gesagt, daß ich noch nie einer Frau begegnet bin, die so leicht zu befriedigen war. Man brauchte sie fast nur zu berühren – dort, und schon bekam sie lange, saugende Orgasmen. Sie war, genau wie ich vermutet hatte, sexuell total ausgehungert, und zwar auf eine Weise, daß sie zu vergessen schien, mit wem sie zusammen war und wo sie war, sobald sie sich erst einmal darauf eingelassen hatte. Ich wußte nicht, ob eine halbe oder drei Stunden vergangen waren. Ihre schlangenhaften, glatten rhythmischen Bewegungen hatten vor ein paar Minuten aufgehört oder zumindest für ein Weilchen nachgelassen.
Blut sickerte aus meiner Unterlippe, an der sie sich einfach festgebissen hatte. Dieser tiefe, gleichsam fragende Blick machte mich ein bißchen unruhig.
Es schien,
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