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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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gibt nicht viele Dinge in dieser Welt, die einem so schrecklich viel Kopfzerbrechen bereiten können wie ein Gewächshaus. Unwissende Leute meinen, man könne Apfelsinen, Trauben, Kürbisse, Mais und große, herrliche schwedische Tomaten praktisch im Freiland ziehen, wenn man nur so ein Treibhaus hat, mit Glas von abbruchreifen Gebäuden und einem Ofen, der an den Frühlingsabenden hübsch vor sich hin brennt und eine dünne blaue Rauchfahne zum Himmel schickt.
    Aber nein, aber nein. Die Lüftung ist ebenso wichtig wie die Wärme, man kann eine ganze Reihe vielversprechender Schößlinge im obersten Regal ruinieren, wenn man nicht begreift, daß man das unterste nie genauso warm halten kann, die Verteilung der Pflanzen ist ungeheuer wichtig, vor allem aber muß man an die Lüftung denken. Pflanzen brauchen die Luft ebensosehr wie die Wärme. Es gibt Jahreszeiten, beispielsweise Ende April, da besteht der Unterschied zwischen schwärzlichen, erfrorenen Krauthaufen in den Töpfen und munter rankenden Tomatenstauden darin, ob eine halbe Stunde zu lange gelüftet wurde oder die halbe Stunde, die nötig ist.
    Ich glaube, es war während des Krieges, daß August damit angefangen hat. Damals gab es ja kein Plastik, Gott weiß, wie er sich all das Fensterglas besorgt hat, das benötigt wurde, aus Abbruchhäusern, aus alten Katen, aus Fabrikgebäuden, die abgerissen und durch neue ersetzt wurden. Er hat sein Glas zusammengekriegt, und beim Glas ist es dann auch geblieben. Die Rahmen der einzelnen Fenster passen nicht recht zusammen, weil sie aus völlig verschiedenen Gebäuden stammen. Er hat eine sehr geschickte Arbeit geleistet, indem er sie mit Bretterstücken, Leisten und solchem Zeug zusammengebosselt hat. Es sieht nicht gerade nach moderner Architektur aus, oder vielleicht gleicht es mehr als allem anderen der modernen Architektur, aber es funktioniert.
    Das ursprüngliche Gewächshaus war sehr klein, ich selbst war damals – in den vierziger Jahren – so klein, daß es mir groß vorkam, ich pflegte schwitzend da drinnen im Grünen zu sitzen und vor mich hin zu grübeln, und dann, wenn es dort unerträglich heiß wurde, rannte ich hinaus und badete in der Regentonne. Der Onkel und Maggan fanden es jedesmal wieder genauso lustig – mir erschien es an den langen, warmen Sommertagen als ein ganz natürliches Vergnügen, ich hatte oft alte Nummern von Reader’s Digest dabei – Das Beste hieß es wohl, und las von Liberatorbombern und der Marshallhilfe; der Kinseyreport über das sexuelle Verhalten der Frau faszinierte mich ungeheuer, da in dem Artikel niemand sich die Mühe machte, zu erläutern, was das Wort Orgasmus eigentlich bedeutete.
    Aber objektiv betrachtet kann es kaum größer als eine gewöhnliche Hundehütte gewesen sein. Dann kam die Nachkriegszeit mit den goldenen fünfziger Jahren, in denen August nicht mehr hinausradeln mußte, weil er sich sogar die Anschaffung einer Husqvarna 125 Kubik leisten konnte (auf der ich manchmal eine Probefahrt machen durfte; ich erinnere mich noch an das wunderbare Gefühl, wenn einem der Wind um die Ohren brauste, fast wie eine Erinnerung ans Paradies), und da begann das Gewächshaus etwas länger zu werden. Er errichtete den Anbau, oder wie man es nennen soll, in einem Winkel von neunzig Grad zum ursprünglichen Treibhaus, um dem Schatten des Klohäuschens an den Frühlingsnachmittagen zu entgehen, legte Gurkenbeete und Regale an und begann ernstlich mit Weintrauben zu experimentieren, aber es brauchte Zeit, bevor bei diesen Experimenten etwas herauskam. Sehr lange sahen sie aus wie Erbsen, saure Erbsen.
    In den fünfziger Jahren ging es ihm so gut, daß er es sich sogar leisten konnte, aus einem Sägewerk in Ramnäs etwas Bauholz zu beziehen und ordentliche Leisten anzufertigen.
    Mein Gott, welche Massen von jungen Frühkartoffeln, Kürbissen in Essigsud, Gurken, Tomaten und Möhren haben wir nicht im Laufe der Jahre aus diesem Gewächshaus bekommen! Wie ein Füllhorn, eingepflanzt in die västmanländische Erde, hat es Sommer für Sommer die erlesensten Zuckererbsen, eingemachte Früchte, Mixed Pickles und eingelegte Tomaten für eine ganze Sippschaft hervorgebracht. Dinge, die von sich aus zu produzieren derselben västmanländischen Erde niemals eingefallen wäre, zu denen sie sich jetzt aber willig hergab, mit Hilfe der Kunst und der Sorgfalt zweier alter Menschen, die nicht davor zurückschreckten, mitten in der Nacht aufzustehen und hierherzufahren, wenn sie

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