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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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der Asche eines Herdes liegen, der vor Tausenden von Jahren erloschen ist.
    Und unter dem primitivsten Lehmboden ein Marmorboden mit einem wunderbaren Mosaik.
    So geht es immer weiter.
    Dieser ist zweihundert Meter hoch. Auf der Kuppe weht ständig ein Wind. Hier und da schaut eine alte Badewanne zur Hälfte hervor, als sei der Berg gerade dabei, sie zu gebären, hier und da verheddert der Fuß sich in irgendwas, man zieht und zerrt, und plötzlich hält man ein großes Stück von irgendeinem hübschen wilhelminischen Ornament aus Gußeisen in der Hand.
    Es klirrt, und ein paar blaue Kacheln gleiten ein Stück den Abhang hinunter und legen sich in einem Brennesselhaufen zurecht.
    Hier ist nie ein Mensch zu sehen, nur die Spuren einer alten Bobsleighbahn, und die wird nur im Winter benutzt, aber es weht ein starker, hartnäckiger Wind. Schon der erste Windstoß erinnert mich an meinen Freund Sigismund
     
    ABER ER SCHLÄFT NOCH
     
    und von der Kuppe aus schlage ich die Richtung zum Hundekehlensee ein, immer zum Hundekehlensee, der weit hinten im Nordwesten wie ein kleiner Lichtreflex im Grünen schimmert, der Weg führt durch Schrebergärten, dann kommt wieder Wald, wieder Schrebergärten, wieder Wald, und richtig sicher fühlt man sich nie, bevor man nicht das Geräusch der Autobahn nach Dreilinden hört und die alte, mit Spinnweben überzogene S-Bahnstation in all dem Grün auftauchen sieht.
    Dieser Wald macht mir immer ein bißchen angst.
    Es liegt, wie soll ich sagen,
     
    JAGD IN DER LUFT
     
    Jagdhörner unter den grünen Wipfeln der Bäume, ich habe das Gefühl, jeden Moment könnte mich eine bizarre Jagdgesellschaft auf ihren Pferden einholen – Jäger in roten Jacken, die Damen in roten Röcken, von Hunden umgeben, einer Meute von schwarzgefleckten, munteren Dalmatinern, und die Gesichter der Herren und Damen sehen etwas sonderbar aus, ein wenig deformiert, wie Gesichter, die lange in der Erde gelegen haben – und eine Parforcejagd über Stock und Stein veranstalten. Mit kläffenden Hunden auf den Fersen würde ich gejagt werden, bis die Luftröhre schmerzte und ich keinen Schritt weiterkönnte, und in einer hellen Lichtung würde man Jahre danach meine Armbanduhr finden, etwas zertreten, mit einem spinnwebartigen Muster auf dem Zifferblatt
     
    UND DER ZEIGER STEHT AUF HALB VIER
     
    es ist Zeit zum Teetrinken.
     
    Seit einigen Monaten war Nachmittag.
    Und jetzt, ein immer tieferes Grün, eine immer tiefere Dämmerung unter den Bäumen, wo die Busse der Linie 17 in einem Aquarium aus Laub und flirrendem Nachmittagslicht auf ihrem langen Weg zwischen Grunewald und Lichterfelde unterwegs sind.
    Und ich sitze auf einer Steinbank am Ufer des Wannsees und sehe, wie sich ein großes, dumpfes, drückendes Gewitter über dem nördlichen Horizont, über der Stadt auftürmt. Der große Wasserspiegel vor mir wimmelt von unruhigen Segelbooten, die hierhin und dorthin kreuzen, in den Fliederbüschen des riesigen, verlassenen Gartens hinter mir ein einsames Rauschen, und der Duft des Flieders erinnert mich an gewisse Frühsommernachmittage meiner Kindheit in Ramnäs, die auch monatelang anhalten konnten, und zum erstenmal seit langer Zeit denke ich an das jüngste von den Geschwistern meiner Mutter. Die meisten waren Brüder, Onkel, aber das jüngste war eine Schwester, Tante Clara, und die mochte ich lieber als alle anderen zusammen, sie war begabter, exzentrischer als all die anderen.
    Ich möchte nur wissen, was aus ihr geworden ist?
     
    DER ERSTE WINDSTOSS BLÄTTERT IN MEINEM BUCH, BLÄTTERT
     
    so daß es sich selbst liest, wie eine tibetanische Gebetsmühle sich selbst betätigt, und ich sitze ganz aufrecht da, ohne eine Zeile zu lesen, und schaue über den See zum Gewitter hinüber, das sich jetzt über dem neuen, abscheulichen Dampfkraftwerk im Lichterfelder Raum aufplustert und Blitze schleudert.
    Heute morgen, als ich in meinem Zimmer aufwachte, zwischen Bücherstößen, Manuskripten und Joens Modellen von Flugzeugtypen aus dem Ersten Weltkrieg – er baut diese Flugzeugmodelle mit einer solchen Geschwindigkeit, daß kein Mensch weiß, wo man sie unterbringen soll, außer in meinem Zimmer, und nicht selten erwache ich mit den Überbleibseln einer Handley Page 0/4000 unter dem Rücken. Heute morgen, als ich aufwachte und an die Decke starrte, wo eine Messerschmitt in einem fortwährenden Kampf mit einer Bristol begriffen ist, beide an Fäden von der Deckenlampe herabhängend, fiel mir ein, daß ich einen

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