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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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bleiben, und zweitens kannst du vielleicht auch nicht absolut sicher sein, daß dieser Ort wirklich so wunderbar ist, wie es die vieltausendjährige Lügenpropaganda behauptet.
    Ich finde, ehrlich gesagt, du solltest jetzt zugreifen und darauf verzichten, den Preis unnötig in die Höhe zu treiben.
     
    Die Malerin G. lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Die Uhr stand immer noch auf eins, und der rote Schimmer am Horizont hatte sich nicht verstärkt.
    – Es ist sonderbar, sagte sie. Solange ich mir Schwefelseen und blutigen Regen und diese – lasziven – Eidechsengestalten vorgestellt habe, schien alles schon beschlossene Sache zu sein. Aber wenn ihr jetzt sagt, es sei gar nicht so schlimm, denke ich gleich an lange Schlangen vor den Lebensmittelläden, an den Geruch von billigen Waschmitteln und an bürokratische Formulare, die ausgefüllt werden müssen, an überfüllte Busse, vor denen man im Schneeregen anstehen muß, und dann ist es gar nicht mehr so verlockend.
    Wie ist das Klima? Es ist doch hoffentlich nicht feucht und kalt?
    Belo, der sie in den letzten Minuten ganz verliebt angeschaut hatte, zuckte zusammen, als sei ihm jetzt erst bewußt geworden, wovon sie redete.
    – Das Klima? Ach ja, das Klima. Nun, es ist ein sehr großer Kontinent, größer als Afrika und Asien zusammen, und das Klima dort ist sehr unterschiedlich. Du müßtest dich eben in einer Gegend niederlassen, wo dir das Klima behagt. Sicherlich gibt es einige Orte, an denen recht extreme Verhältnisse herrschen. Es mag ja sein, daß nicht alles Lügenpropaganda ist und daß die Berichte zum Teil auf die Beobachtungen mittelalterlicher Reisender zurückgehen, die allerdings eine sehr überhitzte Phantasie hatten, aber im großen und ganzen bin ich davon überzeugt, daß du keinerlei Schwierigkeiten haben wirst, dich an das Klima zu gewöhnen und einen Ort zu finden, wo die Luft lau und trocken ist und das Frühjahr zeitig beginnt.
    – Sonderbar, sagte die Malerin G. Je mehr du erzählst, desto unschlüssiger werde ich.
     
    In diesem Moment fiel ihr etwas auf. Es war heller geworden im Zimmer. Der rote Schimmer am Horizont hatte sich merklich verstärkt: Das Ticken der Uhr war wieder deutlich zu hören. Und plötzlich war es halb vier.
    Die Malerin G. fühlte sich sehr müde. Das Ticken der Uhr kam ihr plötzlich so laut vor, daß sie meinte, es sei doch sonderbar, daß die Nachbarn nicht schon längst aufgewacht waren.
    Der Herr, der Belo genannt werden wollte, erhob sich mit einer gewissen Schwerfälligkeit vom Sofa.
    – O.K., sagte er. Wir sind ja an sich keine Verhandlungsdelegation, sondern eine Freundschaftsdelegation.
    – And so what, sagte die Malerin G.
    – Ich sehe keine andere Lösung, als daß Sie uns für eine Woche begleiten und sich selbst ein Urteil über die Verhältnisse bilden, bevor wir einen Vertrag schließen.
    – Aber geht das denn?
    – Selbstverständlich geht das, liebes Kind. Wir haben nichts zu verbergen. Im Gegenteil, wir bemühen uns sehr darum, die kulturellen Kontakte zu erweitern.
    – Muß ich irgendwas mitnehmen, fragte G. ängstlich.
    – Ja, eine Zahnbürste, und vielleicht etwas – zum Wechseln – und einen warmen Pullover. In gewissen Gegenden können die Abende ein wenig kühl sein.
    – Aber kann ich denn sicher sein, daß ich zurückkomme?
    – Selbstverständlich. Es ist bei uns nicht üblich, Mitglieder einer Freundschaftsdelegation verlorengehen zu lassen, sagte Belo ein wenig beleidigt.
    – O.K. Ich werd’s mir ansehen. Nur einen kleinen Moment noch, ich muß der Hausmeisterin einen Zettel hinlegen, daß sie mir die Blumen gießt. Meint ihr wirklich, es soll jetzt sofort losgehen?
    – So schnell wie möglich! Wir müssen fort sein, bevor die Sonne aufgeht.
    – Moment, ich muß nur noch einen Zettel finden. Offenbar klaut mir ständig jemand die Bleistifte.

Die Schrotladung, im Flug
vor der Flinte des Jägers gefangen
     
    Seit einigen Monaten war Nachmittag.
    Das äußerte sich auf unterschiedliche Art.
    Ich zog zum Scholtzplatz um. Der Scholtzplatz liegt fast nicht mehr in Berlin, nur einen Steinwurf von Spandau entfernt, in einem Winkel, einem sehr verwilderten zwar, aber immerhin in einem Winkel des großen Grunewalds, durch den muntere Reiterscharen galoppieren, und in dem die Buchen mit jedem Tag grüner wurden.
    Ein leichter Nieselregen lag in diesen Tagen über Berlin.
    Ich verließ ohne Bedauern die riesige Wohnung in Schöneberg, mit ihren plötzlichen Windstößen aus den

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