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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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daß dieselben Personen, die diese Lügen verbreitet haben, nicht davor zurückschreckten, Hunderte von jungen Frauen wie dich auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen, Katharer zu pfählen, Wiedertäufer im Fluß zu ertränken, kleinen Kindern in Dalarna (einer skandinavischen Provinz) mit glühenden Zangen Bekenntnisse abzuzwingen. Und was bekannten die Kinder? Daß man ihnen Süßigkeiten angeboten hatte!
    Von solchen Personen kannst du keine korrekten Angaben über eine fremde Welt erwarten, das mußt du doch einsehen.
    Laura nickte kurz, sah aber noch so bleich aus, daß Azaar ihr schnell brüderlich mit dem Taschentuch über die Stirn fuhr – das verwirrte sie ein wenig, denn sie hatte gerade gedacht, er sei doch wirklich ein ungewöhnlich schöner Mann – und sich erbot, ihr ein Glas Whisky zu holen, was sie ablehnte, da sie ganz genau wußte, daß sie seit Monaten kein Geld gehabt hatte, um Whisky zu kaufen. Herr Azaar gab sich nicht damit zufrieden, sondern zog rasch eine Taschenflasche Haig aus seiner eleganten Aktenmappe, und die Malerin G. stellte beiläufig fest, daß sie im steuerfreien Spirituosenladen auf dem Flughafen in Frankfurt am Main gekauft worden sein mußte.
    Uriel lief bereitwillig in die Küche hinaus, um ein Glas zu holen, und die vorübergehend etwas gedrückte Stimmung wurde rasch aufgelockert, als sich der erlesene Whiskyduft im Zimmer ausbreitete. Schmeckte Haigs Whisky wirklich immer so gut?
    – Damit möchte ich nur sagen, fuhr Belo erleichtert fort, daß niemand darauf aus ist, dich in einem Meer von Blut zu ertränken oder dich in Schwefel zu kochen. Wir stellen ganz einfach ein anderes Weltsystem dar, ein anderes Reich, wir führen seit sehr langer Zeit einen ungleichen, harten Kampf mit den Mächten, die diesen Planeten gewöhnlich beherrschen, und daraus hat sich nach und nach ein empfindliches Gleichgewicht des Terrors entwickelt.
    Es ist ein harter, unsentimentaler Krieg, bei dem die Mittel nicht immer die saubersten sind, das kannst du mir glauben. Agenten dringen von beiden Seiten ein, es ist eine schmutzige, harte und kalte Arbeit, bei der beide Parteien ihre Pflicht gegenüber der ihren erfüllen, ohne jede sentimentale Regung.
    Aber eins verspreche ich dir, von Schwefelseen kann keine Rede sein. Und es gibt auch niemand, der darauf aus wäre, deine Seele zu »bekommen«. Das sind doch nur Vorstellungen, die sich in der Kindheit festsetzen, wenn man im Dunkeln liegt und darauf wartet, daß jemand einen »holen« kommt, nicht wahr?
     
    Er hatte so lange und so eifrig geredet, daß ihm beinah der Atem ausging, und Uriel fiel fast ohne Unterbrechung ein, mit der gleichen etwas müden Stimme, als habe er dieselbe Sache schon Hunderte von Malen wieder und wieder erklärt.
    – Es geht nicht um solche Dinge, sondern es handelt sich vielmehr darum, gewisse – Begabungen – heranzuziehen, die uns in Zukunft nützlich sein können und die für unendliche Zeit bei uns leben und arbeiten können. Wir sind in unserer Auswahl etwas elitär, und das liegt daran, daß wir niemals ein solches Interesse an einer Massenwirkung gehabt haben wie gewisse andere Leute. Wir sind ein mächtiges Reich; die Art, wie wir die Dinge organisieren, unser gesamtes System, unterscheidet sich etwas von dem hiesigen. Es ist sehr wohl möglich, daß ein Neuling bei uns Anpassungsschwierigkeiten hat, daß er oder sie manches vermißt, woran er oder sie gewöhnt ist, und daß der Neuling dies und jenes neu und fremd finden wird. Aber von Schwefelseen kann wirklich keine Rede sein, höchstens mal in einem entlegenen Naturpark, und da nur als Ziel für Touristenausflüge.
    Was uns interessiert, ist deine Arbeit, deine Begabung, liebe Laura, nichts anderes. Und das bedeutet, verstehst du, daß der Preis, den du bezahlst, gar nicht so hoch ist, wie du es dir jetzt einbildest, irregeführt durch eine jahrtausendelange Greuelpropaganda.
    – Ich verstehe, sagte Laura. Aber wie kann ich wissen, daß ihr die Wahrheit sagt?
    – Man pflegt dem Wort ehrenhafter Männer zu vertrauen, sagte Belo. Wie Uriel gerade gesagt hat, ist der Preis, den du bezahlst, gar nicht so furchtbar hoch, wie du glaubst, und daher scheint die Sache mit deiner ungewöhnlichen Zusatzklausel doch ein wenig überzogen.
    Es stimmt natürlich schon, daß du die Ewigkeit an einem Ort verbringen wirst, der dich für immer der Möglichkeit beraubt, sie an jenem anderen Ort zu verbringen, aber erstens mußt du ja auch in der Ewigkeit irgendwo

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