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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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zwischen seine Beine.
    Sie fragte sich, worauf sie denn um Himmels willen warten mochten. Der ohrenbetäubende Lärm und die blauen Flammen der Schweißapparate begannen ihr Kopfschmerzen zu machen. Hier war es völlig unmöglich, sich verständlich zu machen, und so mußte sie sich damit begnügen, ihren drei Begleitern besorgte und fragende Blicke zuzuwerfen. Sie sahen alle sehr ruhig, sehr energisch aus, ungefähr wie drei jüngere Attachés auf dem Weg zu einer Konferenz, dachte sie. In dieser Umgebung erschienen sie alltäglicher als oben an der Erdoberfläche.
    Plötzlich bewegte sich etwas vor ihr, und sie begriff, daß das, worauf sie hier warteten, ganz einfach ein Aufzug war, ein großer Lastenaufzug mit Türen aus einer Gitterkonstruktion, von einfachem Maschendraht geschützt, einer von diesen Aufzügen, die gebraucht werden, um Arbeiter und Material zu den tiefer gelegenen Ebenen zu transportieren.
    Das Schutznetz vor ihnen glitt an seinen Drahtseilen auf, und sie betraten den Aufzug.
     
    Wir verlassen sie für einen Augenblick, denn es wird mir bewußt, daß ich gerade einen Abstieg zur Hölle beschreibe, und nicht nur das, sondern ich tue es sogar in einem wohlwollenden, den unparteiischen Standpunkt betonenden Geist.
    Vom Fenster aus, an dem ich schreibe – es ist ein wunderschöner Augustmorgen in Väster Våla, der Tau verdunstet gerade aus dem Gras, und ich habe eine ganze Stunde zwischen sechs und sieben damit verbracht, die verdammten Stiere von Per Brusling aus meinem Gemüsegarten zu verjagen, abwechselnd mit wildem Gebrüll und väterlich ermahnenden Hieben meines Spazierstocks auf ihren Hintern – vom Fenster aus also sehe ich die weiße Kirche von Väster Våla durch die Bäume schimmern. Und es kommt mir in den Sinn, daß mein Freund, der Vikar, nicht ganz einverstanden wäre mit dem, womit ich mich beschäftige. Es ist die Frage, ob nicht Seine Ehrwürden, der Bischof von Västerås, umgehend in diese Angelegenheit eingeschaltet werden sollte. Wenn man dem Teufel den kleinen Finger reicht..., und im übrigen wissen wir ja, wie es damals in Mora ausgegangen ist. Können wir einen Unparteiischen in der Diözese dulden?
    Man kann sich fragen, ob die Stiere nicht eine Warnung waren: Ist es denn ganz normal , daß dreißig schwarze Stiere plötzlich im Gemüsegarten einer Privatperson herumtrampeln, und zwar nur in diesem einen, weder in dem des Werklehrers Jansson noch in dem des Baumeisters Sundelin, sondern nur in meinem Gemüsegarten?
    Jetzt fehlt nur noch, daß Brusling anruft und sagt, er habe dreißig Stiere zu viel!
    In meiner Jugend, als die Ideen der Aufklärungszeit einen starken Einfluß auf mich ausübten, was sie übrigens heute noch tun, denn danach sind kaum bessere Ideen aufgetaucht, habe ich es als meine Aufgabe betrachtet, das Irrationale in der religiösen Vorstellungswelt aufzuzeigen.
    Die Hölle, haha! Wo soll die liegen? Unter der Erde? Aber jedes Schulkind weiß doch, daß es unter der Erdoberfläche nur Magma gibt und im Inneren einen Eisenkern! Oder irgendwo anders? Wo denn? In einer Galaxis im Sternbild des Schwans? Sie wollen also allen Ernstes behaupten, mein Herr, daß es im Sternbild des Schwans kleine Männchen mit Hörnern und Feuerhaken gibt, die die Seelen in Schwefel kochen, und Ungeheuer mit schuppigem Glied, die ältliche Geschäftsführerinnen von Massageinstituten vergewaltigen? Wie war doch die Nummer der Notrufzentrale? Einen Krankenwagen bitte, ja, es sieht böse aus, und am besten auch gleich einen Arzt mit Spritze und Zwangsjacke. Ja. Genau. Sehr bedauerlich.
    Und was den allmächtigen, gütigen Gott betrifft, so habe ich da ebenfalls meine Bedenken. Ich will gar nicht behaupten, daß alles ideal sein würde, wenn ich allmächtig und gütig wäre. Ich würde auf keinen Fall der Versuchung widerstehen können, bei dem einen oder anderen Literaturkritiker stark juckende Ekzeme hervorzurufen, General Franco einen Stierkopf und Präsident Nixon eine Pappnase aufzusetzen, und ein Teil meiner Tätigkeiten in dieser Rolle würde sicher mehr oder weniger wie ein Rückfall in die mutwilligen Sitten und Gebräuche der griechischen Götter aussehen.
    Aber ich glaube dafür einstehen zu können, daß wir, wenn ich allmächtig und gütig wäre, weder Sombreil noch Verdun gehabt hätten, weder Auschwitz noch Hiroshima, weder die Niederschlagung des Sepoy-Aufstands noch die Kinderarbeit in den englischen Gruben um 1860.
    Ich könnte die Liste noch ein bißchen

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