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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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bildeten eine eigene Gruppe.
    Aus dieser Zeit ist sie mir als ein mageres, ziemlich schweigsames kleines blondes Mädchen in Erinnerung, offenbar immer sehr verfroren, da sie den ganzen Winter über eine gestrickte Zipfelmütze trug, die eine lächerliche Form hatte und ihr bis weit über die Ohren reichte. Daß sie blonde Haare hatte, war erst tief im Frühjahr zu sehen.
    Sie schien recht schüchtern zu sein.
    Damals interessierte ich mich ausschließlich für ein anderes Mädchen in ihrer Klasse, eine Tennisspielerin mit langen dunklen Haaren, großen Augen, früh entwickelten Brüsten und hohen Backenknochen, wie sie die Mädchen in Västmanland seltsamerweise manchmal haben. An ihren Namen kann ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Diese beiden, Margareth und sie, waren Freundinnen oder jedenfalls sah man sie oft zusammen, ein etwas ungleiches Paar, wie man es oft bei solchen Freundinnen findet, wo die eine attraktiv ist und die andere überhaupt nicht.
    Ich glaube, sie versuchte manchmal ein bißchen mit mir zu reden, jedenfalls hat sie das im Laufe der zehn Jahre behauptet, die ich mit ihr verheiratet war, aber sie sagt, ich hätte sie wie Luft behandelt.
    Wenn ich darüber nachdenke, habe ich das schreckliche Gefühl, daß ich sie einfach ein ganz klein wenig abstoßend fand. Sie hatte eine etwas unangenehme Ausstrahlung, oder zumindest habe ich das so empfunden, wenn ich sie sah.
    War dieses Unangenehme im Grunde anziehend? Oder kann es eine Ahnung davon gewesen sein, daß sie später einmal ungeheuer viel wichtiger für mich sein würde, als sie es damals war?
    Das einzige, woran ich mich aus jener Zeit noch ganz genau erinnere, war ein wilder, aber total unterdrückter Haß, den ich fast gegen die gesamte Außenwelt empfand: gegen die Lehrer, die Schule, selbst gegen die Kameraden, ja, gegen die ganze Außenwelt, da sie ganz und gar darauf eingestellt zu sein schien, mich so feindselig wie möglich zu behandeln, mich in die Knie zu zwingen, mich zurechtzuweisen, und zwar stets mit dem Recht des Stärkeren.
    Und dieses kleine, ziemlich blonde, irgendwie hilflose Mädchen wirkte ebenso unterdrückt wie ich, war vermutlich genauso verbittert wie ich. Kein Wunder, daß ich sie nicht besonders interessant fand! Was ich brauchte, waren ausgeglichene Menschen.
    Als ich nach Uppsala kam und mich am Volksschullehrerseminar einschrieb, waren die meisten meiner Kameraden schon eine ganze Weile dort, ich war ziemlich lange beim Militär gewesen, hatte eine Unteroffiziersausbildung bei der Flotte gemacht, und während ich ins Seminar ging, waren alle, die ich aus Västerås kannte, an der Universität.
    Margareth kam ein Jahr später ans Seminar.
    Bei einem Tanzabend sah ich sie wieder. Ich glaube nicht, daß ich vorhatte, sie aufzufordern, aber aus irgendeinem Grund tat ich es trotzdem. Und dabei entdeckte ich, was für eine eigentümlich sinnliche Wärme sie ausstrahlte. Ich tanzte sehr eng mit ihr.
    Aber nur ein einziges Mal.
    Danach ging ich zu einem ganz anderen Mädchen nach Hause, von der ich übrigens nur noch weiß, daß sie sehr viel größer war als ich, und ich glaube, ich schlief sogar mit ihr.
    Mit Margareth zu schlafen wäre mir irgendwie banal erschienen.
     
    Während meiner Zeit in Uppsala habe ich ziemlich herumgeschlampt. Das Lehrerseminar war wirklich sehr anspruchslos, ich hatte lediglich ernsthafte Schwierigkeiten, Orgelspielen zu lernen, diese verdammten Pedale wollten mir nicht recht gehorchen, und als ich dann etwa zehn Jahre später Autofahren lernte, beklagte sich der Fahrlehrer darüber, daß ich die Pedale des Autos behandelte, als seien es Orgelpedale. Abgesehen von den Pedalen war das Seminar in Uppsala die reinste Kinderei, ein Kinderspiel oder wie man sagt, und ich verbrachte die meiste Zeit damit, Mädchen zu jagen.
    Ich weiß nicht, warum, es war eine Art Unruhe, nehme ich an, aber mich interessierte die Verführung.
    Ein etwas zu hochtrabendes Wort, gewiß... aber Verführung war genau das, worum es mir ging.
    Ich wollte beweisen, daß ich wirklich war. Und das kann man nur auf eine einzige Art beweisen: indem man eine Wirkung auf einen anderen Menschen ausübt.
    Je stärker diese Wirkung ist, um so stärker empfindet man seine eigene Wirklichkeit als bewiesen.
    Ich hatte in jenen Jahren ein sehr großes Bedürfnis, gesehen zu werden. Und wenn es einem gelingt, jemanden zu verführen, dann gelingt es einem auch, gesehen zu werden.
    Damals gab es fabelhafte Tanzabende in

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