Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)
ich selbst es tat.
An einem Sonntag morgen, als ich bei ihr zu Hause aufwachte, gerieten wir über irgendwas in Streit, ich weiß nicht mehr, worum es ging, es war ein strahlender Sonntagmorgen. Die Wohnung lag in der Östra Ågatan, dem Schloß gegenüber, und dieses Schloß war im Morgenlicht immer eigentümlich schön. Ich ging zur Wohnungstür, um die Dagens Nyheter zu holen, sonntags morgens kam sie gewöhnlich zu dieser Stunde durch den Briefkastenschlitz, es war übrigens gerade die Zeit im Frühjahr, als die Zeitungen anfingen, Reklame für Badeanzüge zu machen; ich erinnere mich daran, weil ich lauter Anzeigen für Badeanzüge in der Zeitung sah, als ich wieder zurückkam, aber dann setzten wir diesen Streit fort, und sie sagte etwas, woran ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern kann, aber es brachte mich dazu, ganz einfach wegzugehen.
Das ist eine schreckliche Geschichte. Ich glaube, ein Teil meines Lebens endet mit ihr.
(Der restliche Teil geht in diesem Winter seinem Ende entgegen.)
Ich war sehr verzweifelt.
Drei Wochen später, einige Tage vor dem letzten April, traf ich Margareth. Ich hatte sie damals lange nicht mehr gesehen...
(Das gelbe Buch II:1)
Plötzliches Tauwetter, langer Spaziergang mit dem Hund, die Schmerzen in den letzten Tagen ganz gut unter Kontrolle, meist gegen vier oder fünf Uhr morgens, aber nicht schlimmer, als daß ich wieder einschlafen konnte.
Ich muß einige Tage lang ein wenig abwesend gewesen sein, denn inzwischen hat sich die ganze Landschaft schon verändert. Es herrscht feuchter Nebel, am Weg entlang duftet es stark nach Erde und modernden Birkenstämmen, und auf unbegreifliche Art ist ein Krähenschwarm mit richtigen großen Krähen, die sich sonst unten beim Eisenbahnviadukt an der Landstraße 251 aufzuhalten pflegen, hierher zum Waldrand gekommen. Sie sitzen da unten in den Bäumen neben dem Zaun, und ich höre den ganzen Morgen lang ihre rauhen Stimmen. Es wird jetzt auch schon etwas früher hell. Ich möchte wissen, wie der Sommer in diesem Jahr werden wird? Feucht und kühl wie der letzte oder vielleicht einer von den ganz heißen?
Ich frage mich auch oft, ob ich ihn noch werde erleben dürfen. Jedenfalls muß das Boot ordentlich abgedichtet werden. Im letzten Herbst hat es am Heck geleckt wie ein Sieb. Es hat blödsinnig lange am Bootssteg gelegen und ist dagegen geschlagen, noch bis zum Beginn der Herbststürme. Damals ging es mir noch einigermaßen gut, aber offenbar war ich im letzten Herbst nicht besonders unternehmungslustig.
...Ich habe wieder über Margareth nachgedacht. In diesem Nebel oder diesem frühlingshaften Dunst, wie man vielleicht sagen könnte, fehlt sie mir irgendwie wieder. Ihre behutsamen Schritte auf dem Teppich früh am Morgen – sie ist immer zuerst aufgestanden und hat Kaffee gekocht –, ihre Gewohnheit, die Zeitung immer sehr ordentlich und sorgfältig auf den Zeitungshaufen im Schrank unter dem Spülstein zu legen, bevor ich Gelegenheit hatte, sie zu lesen, ihre fast unerträgliche Gewohnheit, um zehn oder halb elf Uhr abends mit der Arbeit anzufangen. Es sind solche Dinge, die einem in Erinnerung bleiben.
Und jetzt, besonders wenn die Schmerzen einsetzen, vermisse ich sie sehr.
Zugleich ist es ja ganz klar, daß die ganze Geschichte völlig unmöglich war. Es ist das reinste Wunder, daß es überhaupt so lange dauern konnte.
All das, unser ganzes Zusammenleben, gründete sich auf ein einziges, sehr einfaches Prinzip, auf eine Übereinkunft:
Es war verboten, einander zu sehen. Ich meine, einander wirklich zu sehen.
Es ist ein recht kompliziertes Spiel, sich ganze zwölf oder dreizehn Jahre lang an eine solche Übereinkunft zu halten und die Maske nicht einmal dann fallenzulassen, wenn man wütend oder sehr unglücklich ist; als sei man sehr lange mit jemand in einem ganz engen Raum eingeschlossen, und zwar unter der Bedingung, einander permanent den Rücken zuzukehren.
Man muß sich natürlich fragen, was hinter einer solchen Übereinkunft steckt.
Ich glaube, es ist der Schmerz. Eine Art von ursprünglichem Schmerz, den man von Kindheit an mit sich herumträgt und den man um keinen Preis sehen lassen darf. Viel wichtiger als das Vorhandensein des Schmerzes ist, ihn versteckt zu halten.
Aber warum ist es denn so wichtig, ihn zu verbergen?
Manchmal haben wir an derselben Schule gearbeitet, manchmal an verschiedenen. Am besten ging es, wenn wir uns auch tagsüber sahen. Wenn der eine den ganzen Tag
Weitere Kostenlose Bücher