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Ritter 01 - Die Rache des Ritters

Ritter 01 - Die Rache des Ritters

Titel: Ritter 01 - Die Rache des Ritters Kostenlos Bücher Online Lesen
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mich nicht angesprochen.«
    »Nein … du hast zum Turm hinaufgestarrt, und ich konnte an dem Ausdruck deiner Augen sehen, dass du nicht den Wunsch hattest, gesehen zu werden.« Merrick leerte seinen Becher, dann stieß er einen kleinen Seufzer aus. »Und ebenso wusste ich, dass du eines Tages zu mir kommen würdest, wenn du Zeit genug gehabt hättest, deinen Hass ruhen zu lassen, und wieder zu leben beginnen würdest.«
    Gunnar schürzte die Lippen und schaute tiefer in seinen Becher, weil er es vorzog, nicht dem klugen Blick des alten Mannes zu begegnen. Plötzlich war er froh, dass er nicht den wahren Grund preisgegeben hatte, der ihn heute Nacht in Wynbrooke hatte Rast machen lassen. Merrick, ein gottesfürchtiger, sanfter Mann, hatte Gunnars unstillbares Verlangen nach Vergeltung damals nicht verstanden; und er würde es ganz gewiss auch jetzt nicht verstehen.
    »Und«, sprach Merrick weiter, während er aufstand und den Raum durchquerte, »weil ich wusste, du würdest zurückkommen, habe ich das hier für dich verwahrt.«
    Als der alte Mann die Hand nach einem einfachen irdenen Gefäß ausstreckte und dessen Inhalt auf seine Handfläche schüttete, spannte sich in Gunnar plötzlich etwas an wie eine Bogenseite. Seine Brust fühlte sich an wie zusammengeschnürt, sein Herz schlug schwer in bedrängender und wachsamer Erwartung, während Merrick zum Tisch zurückkehrte und langsam ein kleines Stück Stoff auseinanderfaltete.
    »Das lag neben dir, als ich dich an jenem Tag fand«, sagte er und brachte einen breiten goldenen Ring zum Vorschein, in dessen Mitte ein großer blutroter Rubin saß.
    Gunnar starrte auf den Siegelring seines Vaters und spürte, wie ihm das Blut aus dem Kopf wich. Mit schweißnassen Händen umklammert er seinen Weinbecher so fest, dass dieser dem Druck fast nicht standgehalten hätte. Verdammt, wie viele Male hatte er sich selbst wegen dieses Ringes verflucht? Zuerst dafür, dass seine Mutter ihn ihm gegeben hatte, weil sie ihn für wert befunden hatte, ihn zu tragen, dafür, ihn seiner Obhut anvertraut zu haben … und dann dafür, dass er ihn verloren hatte. Als Folge seines Versagens. Seiner Feigheit.
    »Nimm ihn, mein Junge«, drängte Merrick, als Gunnar ihn nur stumm anstarrte. »Ich hätte ihn dir schon vor all diesen Jahren geben sollen, nachdem du gesund genug warst und ich dich nach Norden geschickt habe, um bei meinem Bruder auf Penthurst zu leben.« Er schüttelte langsam den Kopf und runzelte nachdenklich die Stirn. »Aber du warst damals so voller Zorn, so besessen von dem Gedanken an Rache, dass ich befürchtete, dieser Ring würde nur noch Öl ins Feuer träufeln.
    Mein Bruder hat mich für verrückt gehalten, weil ich dich zu ihm geschickt habe«, fuhr Merrick fort. »Einen Dämon, so hat er dich genannt: mit düsterem Herzen, trinkend bis zum Exzess, immer auf der Suche nach neuen Kämpfen, bevor die Narben und Wunden des letzten verheilt waren. Ich habe immer damit gerechnet zu hören, dass du den Tod gefunden hättest, ich war sicher, du würdest ein gewaltsames Ende finden, aber diese Nachricht kam nie. Dann, vor sieben Jahren, glaube ich, schickte mir mein Bruder die Nachricht, dass du Penthurst sang- und klanglos verlassen habest, einfach fortgegangen seiest. Das war das Letzte, was ich von dir wusste, bis ich dich vor einigen Jahren in diesem Wald gesehen habe. Und jetzt sitzt du hier vor mir. Den Mann zu sehen, der du heute bist, macht mich froh, dass ich diesen Ring für dich verwahrt habe. Nehmt ihn, Mylord. Er gehört Euch.«
    Gunnar wollte den Ring am liebsten nehmen und durch die Hütte schleudern, wollte vergessen, dass er ihn je gesehen hatte. Mehr als alles andere wollte er die Verpflichtung loswerden, die die Annahme des Ringes mit sich brachte. Stattdessen nahm er das kostbare Erinnerungsstück aus Merricks ausgestreckter Hand und schloss die Faust darum.
    Ich werde dich rächen, schwor er im Stillen. Ich werde dafür sorgen, dass du stolz auf mich bist.
    »Es beschämt mich, es zu gestehen«, sagte Merrick, »aber ich habe mich oft gefragt, ob ich nicht einen großen Fehler gemacht habe, als ich dir an jenem Tag zu Hilfe gekommen bin. Ob mein Bruder vielleicht recht damit hatte, dass es besser für dich gewesen wäre … « Er räusperte sich plötzlich. »Bah! Dummes Geschwätz eines dummen alten Mannes, eh?«
    Er kicherte, aber Gunnar wusste, dass in Merricks Worten mehr Wahrheit als Witz lag. Er war für jeden in seiner Umgebung eine Gefahr gewesen.

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