Ritter des dunklen Rufes
der Stadt hinausgeschmuggelt.«
»Es sind schlimme Zeiten, das ist wohl wahr. Warum hast du dir diesen Wald ausgesucht?«
»Ich hörte, dass es hier einen Aufstand gebe, angeführt von einem Helden, und ich kam her, um seine Geschichte zu hören. Dann werde ich nach Osten reisen, in Reiche, wo noch die Vernunft regiert.«
»Du wirst hier keine Rebellen finden. Vielleicht Gesetzlose und Diebe, aber keine Helden.«
Nuada schwieg einen Moment, dann beugte er sich dicht zu dem Gesetzlosen vor.
»In Furbolg und vielen anderen Städten erzählt man sich eine neue Geschichte. Sie handelt von einem Helden, der sowohl dem Herzog als auch dem König getrotzt hat. Er hat den Neffen des Herzogs erschlagen und wurde zum Tode verurteilt, doch er entkam aus den Kerkern von Mactha und hat alle Gefangenen freigelassen. Im ganzen Land ist sein Name gleichbedeutend mit dem Kampf gegen die Tyrannei.«
Llaw kicherte. »Dem Kampf gegen die Tyrannei? Was ist das für ein Unsinn, Dichter? Gegen Tyrannen zu kämpfen, ist wie gegen einen Sturm anzuspucken.«
»Da hast du Unrecht. Es gibt diesen Mann, und ich werde ihn finden.«
»Hat er auch einen Namen, dieser Tugendbold?«
»Er heißt Starkhand. Llaw Gyffes.« Nuadas Augen glitzerten, als er den Namen nannte.
»Viel Glück bei deiner Suche, Dichter.«
»Dann kennst du ihn also nicht?«
»Nein, ich kenne den Mann nicht, von dem du sprichst. Komm, wir wollen essen.«
3
Der Einstige Ritter ritt über die schmalen Pfade weitab aller Siedlungen. Er lebte von dem, was er mit seinem Langbogen erlegte und von Kräutern, die er auf Lichtungen in Wäldern und auf den Wiesen fand. Die Zeit wurde für ihn allmählich knapp, der Druck auf seine Kehle wurde immer größer. Doch nirgendwo hatte er von einem Handwerker mit besonderen Fähigkeiten gehört, und der Name Ruad Ro-fhessa war unbekannt. Im Norden blieb nur noch die große Stadt Mactha, und dorthin wollte er nicht reisen, denn der Herzog würde ihn wieder erkennen – auch wenn sein Page es nicht getan hatte.
Es war fünfzehn Tage her, seit er zuletzt in einer Stadt Halt gemacht hatte, um Salz, einen versiegelten Krug Branntwein und einen Sack Hafer für seinen Hengst zu kaufen. Es gab reichlich Gras, aber ein Pferd, das mit Getreide gefüttert wurde, war schneller als jedes wilde Tier. Der Ort war nur klein gewesen – etwa sechzehn Häuser, eine Schmiede und ein Laden – und der Preis für seine Vorräte mehr als doppelt so hoch, als er erwartet hatte. Doch er hatte den Preis gezahlt und dann sein Lager auf einer Waldwiese außerhalb der Stadt an einem Fluss aufgeschlagen.
Es war heiß, und der Schweiß rann ihm unter dem erstickenden Helm über die Kopfhaut. Als er den Branntweinkrug öffnete und einen tiefen Zug nahm, wanderten seine Gedanken zu dem schlimmsten Moment des Grauens in seiner Kindheit zurück. Er war auf einen abgestorbenen Baum geklettert und wollte von einer Seite auf die andere, als ein trockener Ast unter ihm nachgab, und er durch die Zweige in das verrottete Herz des Baumes stürzte, wobei seine Füße ein Ameisennest zertrampelten. Seine Arme waren fest an seine Seite gepresst, der Stamm umgab ihn wie ein aufrecht stehender Sarg. Er hatte geschrien, aber er war weit weg von Zuhause, und er hatte niemandem erzählt, wo er hinging. Ameisen begannen, über seine Haut zu krabbeln … über sein Gesicht, seine Augenlider, in seine Ohren. Er schrie und schrie, aber dann krabbelten sie in seinen Mund. Da seine Arme fest an seinen Körper gepresst waren, konnte er nicht hinausklettern, und er musste Stunden um Stunden unter Qualen warten, bis schließlich ein Waldarbeiter seine schwachen Schreie hörte. Sechs Männer arbeiteten eine Stunde lang, um ihn freizuschneiden, und von jenem Tag an mied er geschlossene Räume. Selbst als er erwachsen wurde, blieb ihm dieses Grauen erhalten.
Und als das Schwarze Tor sich öffnete, hatte ihn dieser Alptraum aus seinen Erinnerungen heimgesucht, und eine riesige Flutwelle der Angst schlug über ihm zusammen.
Und nun saß er wieder in einer Falle, diesmal in einem glänzenden Zylinder, der an den Nackenplatten seiner Gabala-Rüstung festsaß. Er konnte den Schweiß, der über sein Gesicht rann, nicht fortwischen … es fühlte sich an wie krabbelnde Ameisen. Er trank noch mehr von dem Branntwein.
Wo war Ollathair? Manannan hatte oft das Schwert-Juwel befragt, aber bislang hatte es ihm nie Anlass zur Hoffnung gegeben. Aber der Waffenmeister musste sich dazu auch im
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