Ritter des dunklen Rufes
ein bisschen stehlen, alle anderen tun es doch auch? Warum sollte ich mich bemühen, gut zu bleiben, wenn ich dadurch arm und unbeachtet bleibe? Wie könnte ich die Welt verändern? Doch alle Ideen – gute wie böse – beginnen im Herz eines einzelnen Menschen. Von dort breiten sie sich aus, eine nach der anderen – zwei zu zwei, hundert zu hundert.«
»Du fliegst zu hoch für mich, Gwydion«, sagte Lámfhada, streckte sich und stand auf. »Ich kann dir nicht folgen.«
Gwydion erhob sich ebenfalls. »Ruad war gut für dich und zeigte dir einen Weg, dem du folgen konntest. Du wirst ihn anderen zeigen. Je mehr Menschen deinetwegen diesem Weg folgen, desto mehr hat Ruad erreicht. Sein Tod setzt dem kein Ende. Aber wenn du verzweifelst und einen anderen Pfad einschlägst, wird sein Leben weniger wertvoll. Das ist deine Schuld, mein Freund.«
»Und wie soll ich diesen Pfad entlanggehen, ohne ihn, der mich leitete?«
»Du beginnst damit, dass du allen Hass aus deinem Herzen vertreibst, denn Hass ist auch eine Waffe des Großen Feindes. Wir können ihn nie dadurch besiegen, dass wir seine eigenen Taktiken anwenden. Wir können seine Abgesandten vernichten, aber letztendlich, wenn wir es mit Hass tun, kommen wir langsam, unausweichlich, sehr nahe daran, die Stelle jener einzunehmen, die wir erschlagen haben.«
»Ich bin kein Gelehrter, Gwydion, ich bin ein entlaufener Sklave. Das meiste, was du sagst, ist an mir verloren. Wäre ich älter und stärker, würde ich das Schwert nehmen und Llaw Gyffes folgen. Ich würde jeden Mann töten, der dem König dient.«
Gwydion wandte den Blick ab und schwieg. »Vielleicht wird die Wahrheit dich verändern. Vielleicht auch nicht. Versuche, Frieden zu finden, Lámfhada.« Der alte Mann wanderte den Hügel wieder hinab zu den Flüchtlingen, die ihre Habseligkeiten zusammenpackten.
Lámfhada sah ihm nach, wie er langsam zu den Höhlen ging. Wie konnte er die Männer, die Ruad töteten, nicht hassen? Hatten sie seinen Hass denn nicht verdient? Sein Blick fiel auf die ersten Frühlingsblumen. Wie einfach sie es hatten, dachte er – wenn sie sterben, kehren sie lediglich in die Erde zurück, in die Wärme ihrer Knospen, bereit, erneut zu wachsen. Bei Menschen war das anders. Der Tag des Goldes kam ihm wieder in den Sinn, und er sah den alten, sterbenden Hirsch und verspürte erneut die Freude, dass er, Lámfhada, die Macht gehabt hatte, ihm neues Leben zu verleihen. Aber diesmal war die Freude durch Kummer getrübt. Seitdem war es ihm nie mehr gelungen, das Gold zu finden – hätte er es gekonnt, hätte er vielleicht Ruads Leben retten können.
Lámfhada schloss die Augen und suchte die sanfte Zuflucht des Gelbs. Er schwebte eine Zeitlang, vergaß die Welt um sich herum, aber Gwydions Worte hallten in seinen Gedanken wider.
» Du beginnst damit, dass du allen Hass aus deinem Herzen vertreibst, denn Hass ist auch eine Waffe des Großen Feindes. Wir können ihn nie dadurch besiegen, dass wir seine eigenen Taktiken anwenden. Wir können seine Abgesandten vernichten, aber letztendlich, wenn wir es mit Hass tun, kommen wir langsam, unausweichlich, sehr nahe daran, die Stelle jener einzunehmen, die wir erschlagen haben. «
Niemals während seiner Verbindung zu Ruad hatte der Zauberer von Hass gesprochen. Selbst zum Schluss hatte er Mitleid mit seinen gefallenen Rittern gehabt. »Ich hasse sie nicht«, sagte Lámfhada. »Ich hasse niemanden.« Verloren im Gelb, begann er die ersten Tränen um seinen Freund zu vergießen. Sein Geist schwamm, rollte und drehte sich in den Farben. Zuerst machte es ihm nichts aus, doch dann packte ihn ein Gefühl, das der Panik nahe kam, denn er verlor die Orientierung. Er streckte die Arme seiner Geistgestalt aus und konzentrierte sich auf das Gelb, aber alle Farben strömten in schwindelerregender Geschwindigkeit an ihm vorbei.
»Bleib ruhig«, befahl er sich. »Angst ist sinnlos.« Das fließende Kaleisdoskop wurde langsamer, bis er am Rand des Rot schwebte. Er zog sich zurück, überquerte das Schwarz und das Grün, auf der Suche nach dem Gelb und seinem Zuhause. Dann hatte er ein äußerst seltsames Gefühl, und er merkte, dass er nicht allein, war. Aber es gab keine Worte, keine Berührung, nur eine eigenartige Gewissheit. »Sprich zu mir«, sagte er, aber da war nichts, nur kameradschaftliche Wärme, das Wissen um Freundschaft. »Bist du das, Ruad?« fragte er. »Sag es mir. Zeig es mir.« Die Farben zogen sich vor einem goldenen Strahl zurück,
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