Ritter-Geist
lich sowieso nicht angreifen.«
»Was wird sowieso nicht angreifen?« wollte sie wissen.
»Die Spuren sind ja auch nicht wirklich frisch«, fuhr ich fort. »Mindestens zwei Tage alt. Also sind sie wahrscheinlich schon fort. Oder kannst du irgend etwas Frischeres wittern, Pook?«
Pook witterte die Luft und schüttelte verneinend den Kopf. Er war klug genug, um mitzuspielen.
»Wer ist wahrscheinlich schon weg?« fragte Threnodia, von me i ner Geheimnistuerei verärgert. Dieses Gefühl kannte ich!
»Die Harpyien natürlich«, sagte ich.
»In dieser Gegend gibt es keine Harpyien!«
»Sage ich ja. Sie scheinen sich nur an den Klippen aufzuhalten. Vermutlich ist dieser Schwarm einfach nur hier durchgezogen und wird nicht wieder zurückkehren.«
Threnodia schwieg. Wir ließen uns zur Nacht nieder. »Nehmt Ihr den Unterschlupf«, sagte ich. »Ich werde draußen schlafen.«
»Wollt Ihr mich denn gar nicht festhalten?«
»Das nützt ohnehin nichts«, wandte ich ein. »Ihr könnt jeder Fessel, jedem Griff entkommen.«
Sie überlegte. »Ihr könnt mich trotzdem festhalten. Vielleicht seid Ihr dann früher gewarnt.«
»Nein, ich glaube es ist besser, wenn ich draußen bleibe«, erw i derte ich und blickte nervös um mich, als befürchtete ich, eine Harpyie zu entdecken. Dann legte ich die Rechte auf meinen Schwertknauf und streckte mich aus.
»Und was, wenn die Harpyien kommen und Ihr noch schlaft?« fragte sie.
»In dieser Gegend gibt es keine Harpyien«, erinnerte ich sie. Dennoch zog ich mein Schwert aus der Scheide. Sie schnitt eine Grimasse, dann legte sie sich in der Unterkunft nieder. Pook blieb grasend am Abhang. Ich schlief; Barbaren können sofort einschl a fen und wieder aufwachen, genau wie andere Tiere.
Plötzlich wachte ich auf und spürte einen Körper neben mir. »Ihr solltet mich doch besser festhalten«, murmelte Threnodia. »Sonst versuche ich vielleicht irgendeine Dummheit.«
Aha. Meine List schien offensichtlich zu wirken. Niemand kann gut schlafen, wenn Harpyien in der Nähe sind. »Wie Ihr wollt, Dämonenbrut.«
Sie kuschelte sich an mich, warm und weich. »Es tut mir ehrlich leid, daß ich Euch umgebracht habe, Jordan.«
Inzwischen nannte sie mich sogar beim Namen. »Und eine L ü gnerin seid Ihr auch.«
Sie verpaßte mir einen Hieb. »Verdammt sollt Ihr sein.«
Ein Punkt für mich. Doch ihr Körper war zum Anbeißen, wie er meinen so berührte, und zum x-tenmal wünschte ich mir, daß die Dinge anders ständen. »Das ist auch eine Lüge«, fügte sie einen Augenblick später hinzu. Ihr Kopf schob sich über meinen, dann küßte sie mich auf den Mund, fest und ausdauernd.
Die Ironie der Sache bestand darin, daß ich genau wußte, daß es eine Lüge war. Lebend hatte Threnodia nicht das geringste für mich übrig. Sie wollte mich lediglich einlullen, damit sie fliehen konnte. Ich bin zwar ziemlich naiv, was Frauen angeht, aber auch die Naivität hat ihre Grenzen, und ich lerne schnell durch Erfa h rung. Und doch war da ein Teil in mir, der zu gerne daran geglaubt hätte, daß eine wunderbare Kreatur wie diese, Königstochter, D ä monin oder nicht, wirklich etwas für mich übrig haben könnte.
»Schätze, jetzt weiß ich, wie das bei König Gromden gegangen ist«, brummte ich, als sie meine Lippen wieder freigab.
Sie versteifte sich, dann lachte sie reumütig. »Ich habe geschw o ren, daß ich einem Mann nie antun werde, was meine Mutter me i nem Vater angetan hat. Ich schätze, auch da habe ich gelogen.« Dann legte sie ihr Gesicht gegen meine Schulter, worauf die Stelle ziemlich naß wurde.
Konnte ein seelenloses Wesen weinen? fragte ich mich. Können wohl schon, beschloß ich, nur tun würde es das nie. Außer, um den anderen zu täuschen. Dennoch… »Seid Ihr in Ordnung?« fragte ich.
»Ach, ich bin eine verfluchte Kreatur«, schluchzte sie.
Was buchstäblich stimmte. Ich wußte ja, daß ich mich wie ein Tor benahm, aber ich konnte nichts dagegen tun. Manchmal muß ein Mann einfach ein Narr sein, wenn er ein Mann ist. Ich legte die Arme um sie und drückte sie eng an mich, nicht um sie am D a vonlaufen zu hindern, sondern weil es einfach notwendig war.
Sie weinte eine Weile, dann schlief sie ein, und bald darauf tat ich das gleiche.
Eine Sache machte mir allerdings zu schaffen. Ich dachte daran und murmelte schließlich in den Nachthimmel hinaus: »Es gibt hier wirklich keine Harpyien.«
»Das weiß ich«, erwiderte Threnodia murmelnd. Ich hatte g e glaubt, daß sie
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