Ritter-Geist
können sie auch«, stimmte ich ihr zu.
Mit einem Krachen wie von einem Felsblock schlug ein Hage l korn gegen unseren Unterschlupf. Ich zuckte zusammen. Dann spähte ich hinaus – und wäre fast von einem weiteren Hagelkorn am Kopf getroffen worden, das mit einer solchen Wucht auf den Boden aufprallte, daß dieser eine beachtliche Delle bekam. Es war grün und spitz. Ich grabschte hinaus und packte es, bevor es d a vonrollen konnte. »He, das ist ja richtiger Stein!« rief ich.
»Was habt Ihr erwartet?« fragte sie. »Farbiges Eis etwa?«
»Hm, ja. Kleine leichte Eiskugeln.«
»Die gibt es vielleicht woanders. Hier hagelt es auf jeden Fall echte Steine.«
In der Tat. Nun prasselten sie überall um uns herum, rote und blaue und orangefarbene und braune. Sie waren sehr hübsch – aber jeder einzelne von ihnen hätte mühelos einem Menschen oder einem Tier das Gehirn herausschlagen können. Vielleicht war das auch der Grund, warum wir bisher in diesem Gebiet auch noch keine großen Tiere gesehen hatten; vor einem solchen Sturm konnten sich nur die kleinen verstecken. Threnodia hatte recht damit gehabt, auf einen Unterschlupf zu drängen.
Da wir nicht weiterreisen konnten, solange der Sturm wütete, mußten wir eng aneinandergedrängt warten. Threnodia saß auf Pook und ich stand neben ihr, den Oberkörper gegen ihr linkes Bein gepreßt. Sie begann wieder mit ihrer Totenklage. Pook hatte die Ohren zurückgelegt, ihm gefiel weder die Frau noch der G e sang. Ich dagegen hielt beide für recht hübsch. Vor allem dieses Bein! Wieder wünschte ich mir, daß wir eine etwas konstruktivere Beziehung zueinander hätten haben können.
Der Sturm wütete eine Stunde lang. Ich döste im Stehen, gegen das Bein gelehnt. Als der Sturm nachließ, wachte ich auf und mußte feststellen, daß ich nur gegen Pooks Flanke lehnte. Ich blickte mich um. Schon wieder war Threnodia verschwunden. »He – wo ist sie?«
Auch Pook hatte gedöst. Erschrocken wachte er auf. Er witterte die Luft, war aber genauso verwirrt wie ich. Wirklich erstaunlich, wie sie jedesmal verschwinden konnte, ohne daß wir etwas mer k ten.
Einmal mehr benutzte ich den Pfeil. Mit der Zeit war er immer blasser geworden, doch es genügte noch. Er zeigte nach Westen. Threnodia war wieder heimwärts unterwegs.
Wir kamen aus unserem Unterschlupf hervor, der inzwischen von dem Hagel auf traurige Weise zugerichtet worden war, und eilten westlich um den Anhang herum. Schon bald hatten wir sie wieder eingeholt. Sie war nicht sehr weit gekommen.
Ich preschte auf sie zu und packte sie am Arm – worauf meine Hand durch sie hindurchglitt. »Ihr seid ja ein Gespenst!« rief ich entsetzt. »Ihr seid zu früh hinausgegangen und von einem Hage l stein erschlagen worden, und jetzt seid Ihr tot.«
»Nein, ich bin lediglich diffus, Flegel«, sagte sie mit schwach zu vernehmender Stimme.
Ich ließ meine Hand durch ihren Körper gleiten. Tatsächlich wies sie ein wenig Widerstand auf, wie dünnes Wasser oder dichter Nebel. Sie war etwas feststofflicher als ein Gespenst, wenngleich nicht sehr.
»Ihr seid aber ganz schön dreist, Barbar!« sagte sie zu mir, als meine Hand aus ihrem Brustkorb wieder hervorkam.
Schuldbewußt riß ich die Finger zurück. »Was ist denn mit Euch passiert?«
»Das ist mein Talent«, erklärte sie. »Transmogrifikation. Wenn ich nicht auf Gegenwind gestoßen wäre, wäre ich schon längst verschwunden. Aber in diesem Zustand kann man nur schwer dagegen ankämpfen.«
Davon konnte ich mich selbst überzeugen: Ein Windstoß kam herbei und blies sie fast um. Sie wog kaum noch irgend etwas. »Ihr könnt Euch einfach verdünnisieren?«
»Ich habe Euch doch gesagt, daß ich ein dämonisches Elternteil habe. Dämonen können sich in Rauch verwandeln, ihre Gestalt und ihre Größe verändern.«
»Aber wenn Ihr das könnt, warum habt Ihr es denn erst zugela s sen, daß ich Euch fesselte?«
»Das kann ich leider nicht so schnell«, erwiderte sie verbittert. »Für jeden Teil brauche ich eine Stunde, und länger habt Ihr mich nie allein gelassen.«
Beinahe fühlte ich mich schuldig. »Die Fesselschlaufe!« rief ich. »Ihr habt Euch einfach verdünnt, um sie abzustreifen!«
»Natürlich.« Langsam nahm sie eine etwas festere Gestalt an. »Und ich habe mich dünn genug gemacht, so daß die Hagelsteine mir nichts anhaben konnten. Aber der Sturm hat viel zu früh au f gehört, so daß Ihr wieder ins Freie konntet, und dieser gräßliche Gegenwind…«
Ich
Weitere Kostenlose Bücher