Ritter-Geist
nichts. Dann musterte ich den abgetrennten Helm. Der war ebenfalls leer!
Im Inneren dieses Panzers war nichts. Überhaupt nichts.
Threnodia sah mich an. »Eine leere Rüstung?« fragte sie verwirrt. »Aber sie hat doch gegen uns gekämpft!«
»Sie hat ehrlos gegen uns gekämpft«, sagte ich, »denn wir waren unbewaffnet. Doch ohne Ehre sind die Ritter ein Nichts.«
»Was ist dann mit all den anderen, die es zugelassen haben?«
Wir blickten zu dem Publikum hinüber. Nun hob jeder von i h nen seinen Panzerhandschuh, um das Visier zu öffnen. Und im Inneren eines jeden Helms – nichts.
»Die sind alle leer!« hauchte ich. »Die Ritter besitzen keinen Körper!«
»Kein Wunder, daß sie ihre Rüstungen nie ablegen«, sagte Thr e nodia. »Ohne ihre Rüstung…« Sie hielt inne, um mich anzusehen, als ihr die Bedeutung meiner Bemerkung über die Ehre klar wurde. »Sind sie ein Nichts!«
»Wir wollen lieber verschwinden, bevor sie sich dazu entschli e ßen, etwas Unehrenhaftes zu tun!« sagte ich.
Threnodia blickte sich um. »Das Pferd da«, sagte sie.
»Was ist damit?«
»Es kommt mir bekannt vor.«
»Aber es ist doch genauso mit Rüstung bedeckt wie die Ritter«, wandte ich ein. »Wahrscheinlich ist es ebenfalls leer.«
»Nein, man kann seine Hufe sehen. Es ist ein wirkliches Pferd.«
Ich schritt zu ihm hinüber. Das gepanzerte Pferd stand still und wartete darauf, daß sein Reiter zurückkam. Ich sah, daß die R ü stung mit Metallriemen zusammengehalten wurde. Ich schnallte einen davon am Hals ab, um den Kopf freizulegen.
Darunter befand sich ein echter Pferdekopf, kein Phantom. »Was macht denn ein lebendiges Pferd an einem solchen Ort?« fragte ich.
Threnodia entfernte mit der ihr verbliebenen Hand einen Teil der Körperrüstung. »Es ist ein Gespensterpferd!« rief sie.
Tatsächlich, sein Rumpf war mit Ketten umwunden. »Ein Ge s pensterpferd, das gepanzerten Gespenstern dient!« sagte ich.
»Wir haben seinen Herrn getötet«, warf sie ein. »Nun steht uns alles zu, was der Ritter besessen hat, alles, was wir davon haben wollen. Die Beute.«
»Das Schwert werden wir behalten«, sagte ich. »Und was das Pferd betrifft, das können wir freilassen.«
»Sie können wir freilassen«, sagte Threnodia, während sie weitere Rüstungsteile entfernte. »Es ist eine Mähre.«
»Eine Turniermähre«, sagte ich. »Dann wollen wir auch hier die Rampe emporreiten, hinaus ins Freie – und oben lassen wir sie dann frei.«
»Einverstanden. Das sind wir ihr schuldig. Schließlich haben wir das Turnier nur dadurch gewonnen, daß sie sich erschreckt hat.«
Und Threnodia war es gewesen, die auf diese List gekommen war. Das würde ich ihr nicht vergessen.
Wir entfernten den Rest der Rüstung, während die versammelten Ritter ausdruckslos zusahen. Anscheinend wollten sie sich an den Rest der Abmachung halten. Wir hatten gesiegt, wir waren frei. Und in Zukunft würde es keine Kuhopfer mehr geben, das Weid e gebiet konnte ausgedehnt werden. Wir hatten unseren Teil für die Wesen geleistet, die uns geholfen hatten. Das freute mich.
Ich bestieg die Gespenstermähre. »Vergeßt meine Hand nicht«, erinnerte ich Threnodia.
Sie hob die abgehauene Hand auf und hielt sie sich ans Handg e lenk, das inzwischen zu bluten aufgehört hatte und zu heilen b e gann. Zuerst befestigte sie sie verkehrt herum, doch sofort beric h tigte sie ihren Fehler. »Ich werde zu Fuß gehen«, beschloß sie. »Ich kann schlecht reiten, wenn ich die beiden Teile zusammenhalten muß.«
»Es wird nicht lange dauern, bis sie wieder angewachsen ist, aber man muß damit rechnen, daß die Hand eine Stunde lang etwas geschwächt ist«, erklärte ich.
Also lenkte ich die Mähre vorsichtig die Rampe empor, während Threnodia mir folgte. Die Ritter sahen mit ihren leeren Gesichtern zu und machten noch immer keine Anstalten, uns aufzuhalten.
»Diese hohlen Menschen sind schaurig«, brummte Threnodia.
Ich stieg ab und sperrte mit dem Schlüssel das Tor auf. Wir schritten hindurch, dann kehrte ich zum Tor zurück und sperrte es wieder zu. Den Schlüssel warf ich nach unten in die Arena; schließlich gehörte er den Rittern, und wir hatten nicht vor, noch einmal hierher zurückzukehren.
Wir befanden uns in einem hübschen offenen Wald, der sich aus vielen verschiedenen Bäumen zusammensetzte – Birken, Sande l holz und andere Uferbäume, was darauf hinwies, daß es in der Nähe einen See geben mußte. Es gab auch eine Reihe von Obst- und Nußbäumen.
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