Ritter-Geist
irgendein seltsames Reißen.
Als ich mein Gleichgewicht wiedergewonnen hatte, entdeckte ich, daß die Laube sich gewaltig ausgedehnt hatte. Ihr Durchme s ser war nun doppelt so groß wie zuvor, und sie selbst war nun achtmal größer. Für jemanden, der möglicherweise ein Tier nach Hause schleppen muß, das er mit einem Pfeil erlegt hat, sind Lä n ge-Masse-Einschätzungen etwas Leichtes; er lernt sehr schnell, daß die doppelte Höhe weitaus mehr bedeutet als das doppelte G e wicht. Das Kissen, auf dem ich saß, glich nun schon eher einem kleinen Bett.
»Wie gefalle ich Euch jetzt, Jordan?« fragte Glockenblume.
Ich wandte den Kopf, um sie anzusehen – und konnte wieder nur gaffen. Sie war so groß wie ich – oder kam dem zumindest so nahe, wie es nur irgendeine Frau tun konnte. Sie war phänomenal. Ihre Attribute, die sehr süß gewesen waren, als sie noch klein war, wirkten nun sinnlich und üppig. »Ich… was ist passiert?«
Wieder lachte sie. »Das ist der Zauber«, erklärte sie. »Er hat uns aneinander angepaßt. Ihr besitzt nun nur noch ein Achtel Eurer früheren Körpermasse, während meine sich um das Achtfache vergrößert hat, deshalb sind wir jetzt gleich.«
Wieder sah ich mir die Laube und dann auch das Kissen an. Ja, alle Abmessungen hatten sich verdoppelt, was bedeuten mußte, daß sich meine eigenen halbiert hatten. Ich war nur noch halb so groß, halb so breit und halb so tief, während Glockenblume sich in jeder Dimension verdoppelt hatte. Das machte wirklich einen U n terschied! »Aber das Baby«, protestierte ich. »Falls…«
»Wenn«, berichtigte sie mich.
»Wenn der, äh, der Storch es bringt… wie groß wird das denn sein?«
»Natürlich von meiner Größe, damit ich richtig auf ihn aufpa s sen kann«, erwiderte sie. »Bis er den Baum verläßt. Und danach… wer weiß? Manche Halblinge können ihre Größe verändern.«
»Damit habe ich wirklich nicht gerechnet!« sagte ich.
»Das habe ich gemerkt«, sagte sie. »Nun, laßt uns keine Zeit ve r schwenden. Ich weiß, daß Ihr ganz erpicht seid auf Eure viel inte r essanteren Abenteuer, allwo es Oger geben möge und so weiter.«
Es hat keinen Zweck, mühsam alle Einzelheiten dessen b e schreiben zu wollen, was nun folgte. Ich möchte lediglich zusa m menfassen, daß Elfenmädchen ganz genauso dazu in der Lage sind, Störche herbeizurufen, wie Menschenmädchen, und ich war erfreut, das Meinige dazutun zu können. Als ich dies getan hatte, wollte ich die Laube wieder verlassen, doch Glockenblume hielt mich zurück. »Noch nicht«, sagte sie.
Wie? Nun ja, der Anpassungszauber hatte sich noch nicht au f gelöst, deshalb hätte es für mich auch keinen Sinn gehabt, die La u be schon jetzt zu verlassen; ich wäre viel zu klein gewesen, um irgendwelche großen Abenteuer bestehen zu können.
Wir nahmen eine Mahlzeit zu uns, denn die Laube war mit ries i gen Früchten und Nüssen und Beuteln voller Getränke angefüllt. Ich vermute, daß sie eigentlich von normaler Größe war, ich war es vielmehr, der sich verändert hatte. Auf jeden Fall schmausten wir köstlich. Es gab auch einen abgeteilten Bereich für andere natürl i che Funktionen. Dann schlief ich vielleicht eine Stunde lang, und als ich erwachte, fühlte ich mich schon sehr viel besser.
Anscheinend wollte sie dem Storch ein weiteres Signal senden, also taten wir es. Als das erledigt war, hielt ich es wieder für Zeit zu gehen, doch erneut hielt sie mich zurück, also nahmen wir eine weitere Mahlzeit zu uns, schliefen noch einmal, alles sehr schön, und ich erwachte noch viel erholter. Da stellte sich heraus, daß sie dem Storch eine dritte Nachricht übermitteln wollte – vielleicht glaubte sie auch nur, daß drei Störche besser seien als einer –, und sie war so wunderschön und beharrlich, daß ich kaum etwas and e res tun konnte als mitzumachen.
»Nun ist es vollbracht«, sagte sie. »Der Storch wird kommen.«
»Seid Ihr sicher?« fragte ich. »Vielleicht wäre es besser, ihm doch noch ein paar weitere Nachrichten zukommen zu lassen.«
Sie lachte, wie sie es so gerne tat. »Ihr seid wirklich köstlich, Jo r dan-Menschenmann, aber ich habe Euch schon zu lange au f gehalten. Ich habe die Empfangsbestätigung des Storchs wahrg e nommen, das Baby wird zu seiner Zeit geliefert werden.«
Das war das komische an dem Storch: Er bestand stets auf einer gewissen Lieferfrist. Vielleicht sollte die der werdenden Mutter Zeit geben, es sich noch einmal anders zu überlegen, oder
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