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Ritter-Geist

Titel: Ritter-Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
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ablenken. Sobald Ihr den Gegenstand erst einmal habt, müßt Ihr ganz besonders vorsichtig sein, denn dann könnte der Schwierigkeitsgrad dieser Herausforderung exponentiell anste i gen.«
    »Da ist etwas dran«, stimmte ich ihm zu und fragte mich dabei, was »exponentiell« bedeutete. Ich vermutete, daß das bloß ein hochgestochender Magierausdruck für »eine ganze Menge« war. »Was ist denn das nun für ein Gegenstand, den ich holen soll?«
    Yin wirkte leicht verlegen. »Ich fürchte, daß ich Euch das nicht sagen darf. König Gromden hat entschieden, daß einige Dinge Überraschungscharakter behalten sollten, damit der Wettbewerb eine mehr, äh, sportliche Note bekommt. Ich habe Euch über das Wesen der Zauber und Gegenzauber aufgeklärt, was Euch einen gewissen Vorteil verleiht; als Gleichgewicht dazu muß es auch e i nige unbekannte Faktoren geben. Vielleicht wird Euch Yang ja mehr erzählen. Allerdings…« Seine Miene verfinsterte sich. »Ihr dürft nicht alles glauben, was Yang Euch erzählt. Ich bin ein Guter Magier, er ist ein Böser. Deshalb muß ich meine Magie stets pos i tiv anwenden und muß immer die Wahrheit sagen. Er dagegen benutzt seine Magie negativ…« Er sprach den Satz nicht zu Ende.
    »Soll das heißen, daß er ständig lügt? Dann glaube ich eben ei n fach nur immer an das Gegenteil dessen, was er sagt.«
    Yin wirkte noch verlegener. »So einfach ist das leider nicht. Die Wahrheit ist nicht unbedingt der Gegensatz zur Unwahrheit. Be i spielsweise könntet Ihr einen Lügner fragen, in welcher Richtung sich der nächste Kissenstrauch befindet, woraufhin er Euch den Osten angeben würde, obwohl der Strauch tatsächlich im Süden liegt. Wenn Ihr dann in die entgegengesetzte Richtung, nämlich nach Westen gehen würdet, würdet Ihr immer noch die falsche eingeschlagen haben.«
    »Nun, zumindest würde ich wissen, in welcher Richtung er sich nicht befindet – nämlich im Osten. Das wäre immerhin eine kleine Hilfe.«
    »Nicht unbedingt. Yang lügt eigentlich nicht so richtig, es geht ihm darum, zu täuschen. Wenn er Euch am besten dadurch täuscht, daß er Euch die falsche Richtung angibt, oder gar d a durch, daß er die Wahrheit auf eine Weise vorbringt, daß Ihr sie anzweifelt, so wird er ebendies tun. Dann könnte der Strauch möglicherweise tatsächlich im Osten liegen – genau in jener Ric h tung, die Ihr nicht einschlagen würdet, nachdem Ihr ihn erst g e fragt habt.«
    Langsam begann ich die Konsequenzen des Ganzen zu begre i fen. Die zivilisierten Leute hatten das Lügen offensichtlich zu einer raffinierten Kunst entwickelt. Wir Barbaren dagegen logen stets immer nur geradeheraus, wenn überhaupt.
    »Es wäre mir eigentlich lieber, wenn Ihr überhaupt nicht mit Yang sprechen würdet«, meinte Yin. »Aber das würde gegen die Regeln des Wettbewerbs verstoßen. Deshalb kann ich Euch nur warnen, ihm nicht zu vertrauen, Euch nicht darauf zu verlassen, daß er lügt oder es nicht tut, denn mit Sicherheit wird er vers u chen, Euch zu seinem Vorteil in die Irre zu führen. Er ist von e i ner heimtückischen Schlauheit.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Danke für die Warnung, Magier. Ich werde vorsichtig sein.«
    Er lächelte. »Tut das. Und gehabt Euch wohl, Held; ich hoffe, Euch nach erfolgreich beendeter Mission wiederzusehen.«
    »Alles klar, Yin.« Ich ließ ihn stehen und begab mich mit dem Beutel voller Zauber auf mein Zimmer.
     
    Die Frau erschien in der Tür. »Der König hat nach Euch gerufen«, sagte sie mißbilligend.
    Ich begab mich in Gromdens Gemächer. Er saß aufrecht im Bett und schien sich offensichtlich etwas erholt zu haben, wenngleich er alles andere als taufrisch wirkte. »Fühlt Ihr Euch besser, König?« fragte ich fröhlich. »Hat der Pflaumensaft vielleicht doch geho l fen?«
    »Meine Beschwerden kommen und gehen«, erwiderte er. »Und jedes Mal wird es schlimmer. Sie sind ebensosehr seelischen wie körperlichen Ursprungs. Wie ich doch wünschte, daß meine Frau und meine Tochter hier wären! Aber…« Voll tiefen Bedauerns zuckte er die Schultern. »Manchmal muß man für einen Auge n blick der Torheit ein ganzes Leben lang büßen.«
    »Das könnt Ihr wohl sagen, König!« stimmte ich ihm zu. »Ich weiß noch, wie ich mal einen Gewirrbaumsamen fand und es für eine gute Idee hielt, ihn bei uns im Garten einzupflanzen…«
    »Ich habe in dieser meiner Phase der Klarheit nach Euch rufen lassen, weil sie möglicherweise nicht mehr lange anhalten wird. Ich muß

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