Ritter und Raufbolde
die Teilnahme am Krieg für jeden mittelalterlichen Kämpfer finanziell gelohnt hat, ist nur schwer zu beantworten. Die Mehrzahl der Kriegsteilnehmer hat sicherlich zur Waffe gegriffen, ohne eine Wahl zu haben: Sie zogen in den Krieg, weil es ihnen befohlen wurde. Hierzu zählen etwa die Teilnehmer der Volksaufgebote, Bauern oder Städter, die zur Verteidigung ihres Landes oder ihrer Stadt zu den Waffen gerufen werden. So aktivierte der französische König im sogenannten Hundertjährigen Krieg immer wieder den Arri re-ban, einen Befehl, der alle Nicht-Adligen und Adligen zu den Waffen rufen sollte, um das Vaterland zu verteidigen.
Anders sah es beispielsweise auf der englischen Seite dieses Konfliktes aus. Da Aktionen in Frankreich nicht zur Landesverteidigung zählten, konnten die englischen Könige nur sehr bedingt auf vergleichbare Rekrutierungsmuster zurückgreifen. Zwar gab es für etliche adlige und freie Kämpfer eine Lehnsverpflichtung, an königlichen Kriegszügen teilzunehmen. Hier war der Kriegsdienst Teil der Verpflichtungen, die ein Lehnsmann im Gegenzug für erhaltene Ländereien oder andere Vergünstigungen an seinen Lehnsherr zu entrichten hatte. Diese Lehnskontingente hatten aber oftmals den Nachteil, nur schlecht ausgerüstet |41| und motiviert zu sein. Zudem bestand die Lehnsverpflichtung nur für einen begrenzten Zeitraum (in der Regel für 40 Tage) und oftmals nur im eigenen Land. Für langfristige Operationen auf dem Kontinent waren diese Mechanismen für den englischen König mithin ungenügend. Teilweise waren die Lehnsverpflichtungen veraltet und entsprachen die festgelegten Anforderungen weder der Zeit noch ihrem Krieg. So soll im Jahr 1282 ein gewisser Hugo FitzHeyr dem englischen König Eduard I. genau den Dienst erwiesen haben, den er ihm nach altem Recht schuldig war: Er kam mit einem Bogen und genau einem Pfeil zum königlichen Heer, schoss den Pfeil auf die Feinde und ritt wieder heim. 16 Mit solchen Kämpfern war kein Krieg zu führen.
Aus diesen Gründen verlegten sich die englischen Könige ab dem ausgehenden 13. Jahrhundert mehr und mehr darauf, ihre Krieger zu bezahlen. Wenn die Kämpfer aber nicht durch rechtliche Normen zum Krieg verpflichtet waren, was motivierte sie dann, für und mit dem König in den Krieg zu ziehen? Jede Art von ökonomischer Bilanzierung des Krieges ist schwierig bis unmöglich. Die Einstiegskosten für einen Ritter waren sehr hoch. Er musste ein Pferd, Panzerung und Waffen, seine Equipage und deren Pferde und Verpflegung bezahlen.
Das Risiko, getötet zu werden, schwang bei jedem kriegerischen Unternehmen mit, hinzu kam das Risiko für die Ländereien, die man zu Hause – schutzlos – zurücklassen musste. Der sichere Gewinn bestand im Sold, der mögliche Gewinn in Beute, Lösegeld und königlicher Gunst. Für die Motivation der Kämpfer entscheidend dürfte dabei weniger eine streng ökonomische Kosten-Nutzen-Rechnung gewesen sein, als vielmehr die Aussicht auf Reichtum und Ruhm. Es war nicht entscheidend, dass jeder reich aus dem Krieg zurückkehrte. Entscheidend war, dass man reich zurückkehren konnte. Die Aussicht, zu den Begünstigten zu gehören, zu denjenigen, die als gemachte Männer nach Hause zurückkehrten, überwog so manche krämerische Ungewissheit. Es war die Chance, nicht die Berechnung, die den Krieg attraktiv machte. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Jeder denkt, dass er ein ,Glücksritter‘ sein wird – ursprünglich nämlich ein Ritter, dessen Auskommen von seinem Kampfglück abhing.
|42| Der Plattenpanzer als Körperschutz
Im Laufe des Mittelalters stieg das Bedürfnis nach individuellem Körperschutz. So entwickelte man für die professionellen und wohlhabenden Kämpfer ab dem ausgehenden 13. Jahrhundert den Plattenpanzer oder (Platten-) Harnisch, der aus stählernen Platten gefertigt wurde. Diese wurden der Körperform angepasst und boten dadurch effektiveren Schutz. Die konvexe Auswölbung der Brustpanzerung sollte den Brustkorb – ähnlich wie die Knautschzone beim Auto – bei frontal einwirkender Gewalt schützen. Die meisten sehr kunstvoll verzierten Plattenrüstungen, die man heute in Museen und Waffensammlungen bestaunen kann, waren allerdings Turnier- und keine Kriegswaffen.
Die Motivation zum Krieg war sicherlich vielschichtig. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Kreuzzüge. Hier war der Aufwand enorm, weil das Kriegsgebiet weit weg lag, was den Kriegszug erheblich verlängerte und die
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