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Ritter und Raufbolde

Ritter und Raufbolde

Titel: Ritter und Raufbolde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauss
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immer dann auf des Messers Schneide, wenn der König vom Pferd fiel und seine Truppen nicht mehr wussten, ob er lebte oder nicht. Aus diesem Grund sind uns zahlreiche Schilderungen überliefert, in denen sich Heerführer darum bemühen, die Truppe ihrer Anwesenheit zu versichern. Als die normannischen Kämpfer bei Hastings (1066) glaubten, dass ihr Anführer Herzog Wilhelm gefallen sei, wandten sie sich zur Flucht, sodass beinahe nichts aus der Eroberung von England geworden wäre; aber Wilhelm zeigte sich seinen Männern und konnte den Rückzug stoppen:
    |38| Der Herzog sah, dass der Großteil der Feinde sich an die Verfolgung seiner Männer machte und warf sich selbst vor die Flüchtenden. Er brachte sie zum Stehen, indem er sie mit seiner Lanze stieß und ihnen drohte. Dann entblößte er seinen Kopf und nahm seinen Helm ab und rief: „Schaut mich an! Ich lebe und ich werde mit Gottes Hilfe siegen!“ 13
    Krieger und Feldherr
    Hier zeigt sich nicht nur die Bedeutung des Anführers für Wohl und Wehe einer Schlacht, sondern es wird auch die doppelte Funktion deutlich, die einem Heerführer im Krieg zukam: Er musste Feldherr und Krieger zugleich sein. Wilhelm stand nicht auf dem sprichwörtlichen Feldherrnhügel und kommandierte seine Truppen, er war mitten im Getümmel und legte selbst Hand an seine Feinde. Widukind von Corvey bringt diese Doppelfunktion im Hinblick auf König Otto I. auf den Punkt:
    Und nachdem er [Otto I.] das gesagt hatte, ergriff er den Schild und die heilige Lanze und richtete selbst sein Pferd gegen die Feinde, wobei er seine Pflicht als tapferster Krieger und als bester Feldherr erfüllte. 14
    Im Mittelalter führten die Könige ihre Truppen im Wortsinn in die Schlacht und beteiligten sich aktiv an den Kämpfen. So sah zumindest die Theorie oder der Anspruch aus, den etliche Geschichtsschreiber an ihre Könige formulierten. Auch wenn es sicherlich problematisch ist, epochenübergreifende Verallgemeinerungen zu treffen, so erscheint es doch als ein Charakteristikum des mittelalterlichen Krieges, dass sich Könige und andere Herrscher in ihm aktiv beweisen mussten, nicht nur als Feldherren und Planer, sondern auch als Kämpfer. Von diesem Anspruch zeugen zahlreiche Schilderungen, in denen dem eigenen König Mut und Tapferkeit, dem feindlichen Herrscher hingegen Feigheit und kämpferisches Versagen attestiert wird. Der pro-österreichische Chronist Matthias von Neuenburg († 1364) beschreibt etwa das Verhalten Ludwigs IV. des Bayern in der Schlacht von Mühldorf 1322 gegen den Österreicher Friedrich den Schönen mit der Absicht, den Bayern gegenüber seinem Helden aus Österreich schlecht dastehen zu lassen:
    |39| Heilige Lanze – Eine Waffe als Reichsinsignie
    Im Jahr 955 führte König Otto I. auf dem Lechfeld in der Nähe von Augsburg eine Lanze in den Kampf gegen die Ungarn: die sogenannte ,Heilige Lanze‘. Sie war eine der Reichsinsignien und wurde als Reliquie verehrt. Im Blatt dieser Flügellanze befand sich angeblich einer der Kreuznägel Christi. Hier zeigt sich die enge Verbindung von Glauben und Krieg im Mittelalter: Gott sollte den Seinen den Sieg schenken.
    Er selbst [Ludwig IV.] erschien, um nicht erkannt zu werden, als zwölfter im blauen Waffenrock mit weißem Kreuzlein und ohne die königlichen Abzeichen; er zweifelte nämlich nicht, dass er, wenn gefangen, getötet werden würde. 15
    Der Bayer erscheint hier als Feigling, der sich hinter seinen Rittern versteckt und durch den uniformen Waffenrock tarnt. Gewonnen hat er die Schlacht am Ende dennoch.
    Warum kämpft man für den König?
    Ein König konnte im Krieg natürlich viel mehr gewinnen (und verlieren) als persönliche Reputation. Kriege wurden um Land und Herrschaft geführt, sie brachten dem Sieger aber vor allem auch Beute. Der finanzielle Ertrag eines erfolgreichen |40| Krieges kam vor allem durch Plünderungen und Lösegeldzahlungen zustande. Der Krieg konnte ein gutes Geschäft sein, auch wenn die Investitionskosten (Ausrüstung, Sold etc.) hoch waren. Für das Königtum stellten Kriege immer auch einen Weg dar, die gesellschaftliche Elite durch Beute und Gewinn an sich zu binden. Ein guter König legitimierte sich in den Augen seiner Untertanen nicht zuletzt dadurch, dass seine Herrschaft lukrativ war, dass es sich lohnte, ihm zu folgen. Könige mussten freigiebig sein, um sich die Loyalität ihrer Untertanen zu sichern, und dazu gehörte auch die Aussicht auf Beute und Belohnung im Krieg. Die Frage, ob sich

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