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Rittermord

Rittermord

Titel: Rittermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Noske
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Raumes und die Tatsache, daß hier und da Klettergeräte aufgebaut waren. Von der Decke baumelten in regelmäßigen Abständen Heizsonnen. Der Boden war mit Stroh und Sägespänen bedeckt. An manchen Stellen, wo die Auflage etwas dicker war, waren Mulden ausgebildet. Überall saßen, pickten, gackerten und flatterten Hühner. Außerdem war da noch der Holländer. Er klaute gerade einer empörten Henne zwei Eier aus ihrem Nest. Mich bemerkte er erst, als ich unmittelbar hinter ihm stand. Erschreckt schoß er in die Höhe.
    »Daß ihr Holländer Tulpendiebe seid, ist ja bekannt«, sagte ich. »Aber daß ihr auch Eier klaut, ist mir neu.«
    »Der Mann aus dem Laden«, sagte er gedehnt. »Machst du hier auch eine Performance? Oder bist du die Security?«
    »So was ähnliches. Heute morgen zehn, jetzt zwei, was willst du mit all den Eiern?«
    »Die brauche ich für ein Omelette surprise.«
    Er war dreist und frech, und ich hätte ihm gerne was aufs Maul gegeben. Ich hielt mich aber zurück, weil ich wissen wollte, warum er hier die Hühner bestahl. Denn es konnte unmöglich Zufall sein, daß er am gleichen Tag in Josef Deutschs Ökoladen und auf Jakob Deutschs Hof auftauchte. Ich versuchte es mit einem Appell an seine Vernunft.
    »Beantwortest du meine Fragen, stehen deine Chancen gut, hier mit allen Zähnen rauszukommen. Kooperierst du nicht, bring ich dich zum Chef, und da gibt’s unter Garantie die Fresse voll. Du hast die Wahl.«
    Ich hätte wissen sollen, daß es noch einen dritten Weg gab, und den wählte er. Er schleuderte mir nämlich die beiden Eier ins Gesicht und spurtete los. In Anbetracht des Bodenbelags verfügte er über das eindeutig bessere Schuhwerk. Die Siegesgöttin gegen ein Paar triefäugige Bassets, da war klar, wie das ausgehen mußte. Ich hatte gerade die Klinke der Eisentür in der Hand, als er bereits durch das Schiebetor entwischte. Frustriert, weil ich die Sache völlig falsch angepackt hatte, lehnte ich mich gegen den Vorderreifen des Schlüter und klaubte mir die Eierschalen von der Oberlippe. Keine zwei Monate war ich aus dem Job, und schon hatte ich alles verlernt.
    Das Tor wurde schon wieder bewegt. Diesmal war es Beate.
    »Gott sei Dank, dir ist nichts passiert.« Sie berührte meine Wange. »Was ist das? Eigelb?«
    »Blöde Hühner«, schimpfte ich. »Ach was, mein Fehler. Warum bist du nicht im Auto geblieben?«
    »Als ich den Kerl weglaufen sah, dachte ich, er hätte dich zusammengeschlagen oder Schlimmeres. Ist er einer von Jakobs Männern?«
    »Das auf keinen Fall. Er dachte, ich arbeite hier als Wachmann. Aber ein gewöhnlicher Eierdieb ist der auch nicht.«
    »Wo ist er dir denn schon mal begegnet?«
    Ich berichtete, daß der Holländer im Ökoladen gewesen war, wo er zehn Eier von fünf verschiedenen Paletten gekauft hatte.
    »Vielleicht ist er ein Kontrolleur«, sagte Beate.
    »Nein, nein, da steckt was anderes dahinter. Komm, wir gehen rüber. Aber vorerst keinen Ton zu Jakob.«
    Der Wolkenbruch war Geschichte, es tröpfelte nur noch. Ich ließ Beate den Vortritt, riß sie aber sofort wieder zurück.
    »Was soll das?« beschwerte sie sich.
    Ich zeigte auf einen anthrazitfarbenen Jaguar, der mit eingeschalteten Nebelscheinwerfern auf den Hof gerollt kam. Die Fahrertür schwang auf, ein Schirm wurde rausgestreckt und öffnete sich automatisch. Dann turnte der Fahrer heraus. Er maß locker eins neunzig, war sportlich, gutaussehend und strahlte, als habe ihn Claudia Schiffer zu Tee, Gebäck und mehr geladen. Diesmal bekam Beate keine weichen Knie, im Gegenteil.
    »Was grinst denn der so blöde?« fragte sie.
    »Er riecht Geld«, sagte ich, und, als Hoyer im Haus verschwunden war: »So, jetzt können wir.«
    »Das könnte euch so passen«, sagte eine schnarrende Stimme hinter uns. »Pfoten hoch und keine Faxen!«

Kapitel 19
    Ich tippte auf Mistgabel, weil ich vier Druckpunkte auf gleicher Höhe spürte. Ein kurzer Schulterblick verschaffte mir Gewißheit. Dabei erhaschte ich auch einen Blick auf unseren Häscher. Er war jenseits der Siebzig, hatte eine Säufernase und kaute auf einem kalten Stumpen herum. Gekleidet war er in Landestracht: Gummistiefel, blauer Arbeitsanzug, Treckerfahrermütze.
    »Keine Faxen!« wiederholte er. »Langsam das Tor auf und dann voran. Das Fräuleinchen zuerst.«
    In Beates Gesicht las ich eine ähnliche Belustigung, wie ich sie auch verspürte. Sicher, die Mistgabel war real und die Zinken bestimmt nicht desinfiziert, aber die komödiantenhafte Stimme

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