Rittermord
Auseinandersetzungen wegen des elterlichen Erbes gab?«
»Verbinden Sie mit Ihrer Frage eine bestimmte Absicht?«
»Ich versuche herauszufinden, in welchem Kontext sich Herrn Deutschs Leben zum Zeitpunkt seiner Ermordung befand. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Sie kannten ihn nicht sehr gut, wie?«
»Deswegen frage ich ja.«
Bis auf die Zeigefinger klappte er alle anderen Finger runter. Aus dem Dach wurde eine Pistole.
»Tja – ich weiß nicht recht, wie ich Ihnen helfen soll. Ihr sicherlich wohlmeinendes Interesse in allen Ehren, aber ich bin an meine Schweigepflicht gebunden, und die endet keineswegs mit dem Tod des Mandanten.« Hoyers Augen wanderten zwischen Beate und mir hin und her, als überlege er, wen er zuerst erschießen sollte. Da ich ihn nicht für schwul hielt, hatte ich wahrscheinlich die schlechteren Karten. »Außerdem sind da die Interessen der Nachlaßnehmer zu berücksichtigen. Gibt es eigentlich ein Testament? Bei mir ist nämlich keines hinterlegt.«
»Soweit wir wissen, nicht.«
»Das hieße, Jakob Deutsch als Bruder wäre der alleinige Erbe.« Er ließ die Sache mit der Pistole bleiben und hakte die Daumen statt dessen hinter den Hosenträgern ein. »Sein Einverständnis würde ich zumindest benötigen, bevor ich Ihnen –«
»Das ist absurd«, haute ich dazwischen. »Wenn es sich verhält, wie wir annehmen, wird Jakob Deutsch den Teufel tun, uns Informationen zugänglich zu machen, die ihn belasten könnten.«
»Tja – was soll ich Ihnen sagen? So ist nun mal die Lage.« Ein Blick auf seine IWC ließ ihn aufspringen. »Ich bedaure sehr, aber meine Zeit ist limitiert, Herr – äh?«
Wir fanden selbst hinaus.
Kapitel 18
Engelgau
Von Westen quollen gewaltige blauschwarze Wolken heran, und die Luft war drückend und dick wie Melasse. Um nicht zu ersticken, fuhren wir mit runtergekurbelten Seitenscheiben. Trotzdem schwitzte ich, während Beate frühlingsfrisch aussah.
»Nur mal angenommen«, sagte sie, »Jakob hätte Josef wirklich noch Geld geschuldet, würdest du ihn deswegen automatisch zum Kreis der Tatverdächtigen rechnen?«
»Erst mal zählt jeder dazu.«
»Selbst der eigene Bruder?«
»Sei doch nicht naiv. Brudermord gibt’s seit Kain und Abel.«
Ein erster Riesentropfen klatschte mir auf den Ellbogen, derart wuchtig und lautstark, daß ich im ersten Moment dachte, jemand hätte mich mit einem Kuhfladen beworfen. Dann zerplatzten einzelne Tropfen auf der Haube und dem Dach, und von einer Sekunde auf die andere ging’s zur Sache. Blitz und Donner waren eins, dazu goß es wie aus Kübeln. Wir hatten Mühe, rechtzeitig die Scheiben hochzukriegen.
Mit eingeschaltetem Licht und hektisch arbeitenden Scheibenwischern krochen wir dahin.
»Ich seh so gut wie nichts«, rief Beate.
»Brauchst du auch nicht, ich fahr ja.«
Die Zufahrt zum Hof Deutsch hatte sich in einen reißenden Wildbach verwandelt. Ich lenkte den Golf mitten hinein und brauchte nur Kurs zu halten, denn die Fluten spülten uns zwischen den musealen Ackergeräten hindurch bis an die Seite des Bulldog. Der Hof stand nicht unter Wasser, hier mußte es eine funktionierende Kanalisation geben.
Ich drehte den Lichtschalter auf off, und in der verbleibenden Millisekunde, bis die Scheinwerfer verloschen, sah ich am Rand des Lichtkegels einen Mann in einem Jeansanzug über den Hof huschen. Sofort ging ich wieder auf Abblendlicht, aber da war er bereits verschwunden.
»Das war dieser Holländer«, sagte ich. »Was macht der denn hier?«
»Was für ein Holländer?«
»Bleib hier. Ich bin gleich wieder da.«
»Du kannst bei dem Wetter doch nicht –«
Ich hätte auf sie hören sollen, denn nach fünf Metern war ich naß bis auf die Haut. Bis ich das schützende Dach des langgestreckten Nebengebäudes erreicht hatte, lief mir das Wasser bereits zwischen den Arschbacken durch. Wie gewohnt erwiesen sich die Hush-Puppies als Schwämme. Von dem Holländer war nichts zu sehen.
Ich schlich an dem Gebäude entlang bis zu einem doppelt mannshohen Schiebetor. Es war unverschlossen und ließ sich ohne großen Kraftaufwand öffnen. Ein Dutzend Neonröhren beleuchteten einen riesigen John Deere, einen noch größeren Schlüter und eine Reihe nasser Schuhabdrücke. Ich folgte der Spur bis zu einer Eisentür, die in die Seitenwand eingelassen war. Auch hier war kein Riegel vorgelegt. Ich zog sie auf und stand in einer Turnhalle voller Hühner.
Den Eindruck einer Turnhalle vermittelten die schieren Abmessungen des
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