Rittermord
brauchte ich aber Geld. Eine Menge Geld.«
Mein Mund war so trocken, als hätte ich eine Stunde lang mit einem Fön reingeblasen. Trotzdem redete ich weiter; jetzt wollte ich es auch zu Ende bringen.
»Ich wußte von zwei südamerikanischen Dealern. Bei denen hab ich zwei Kilo Koks geordert, und sie konnten auch prompt liefern. Bei der Übergabe hab ich sie gelinkt und bin mit dem Stoff auf und davon. Sie haben zwar hinter mir hergeballert, aber das Schießen hatten die beiden nicht gerade erfunden.
Den Koks hab ich verkauft an die Jungs, die den Langen Eugen beliefern, und Jennifer mit dem Erlös einen Therapieplatz im besten Sanatorium der Schweiz finanziert. Ich bin jedes Wochenende runtergefahren und hab sie besucht. Mit ihr ging’s richtig bergauf. Drei Wochen lang machte sie Fortschritte par excellence. In der vierten Woche ist sie irgendwie an Morphium rangekommen. Sie hat sich zugeknallt und ist aus dem Fenster gesprungen.«
Ginas Stimme klang fremd und war so leise, daß ich sie beinahe nicht verstanden hätte. »Hast du es mitangesehen?«
»Nein, aber trotzdem seh ich die Szene immer wieder in meinem Kopfkino. Auch auf dem Friedhof. Da war der Baum der Auslöser. Jennifer liegt auch unter einer Blutbuche. Wie auch Margot.«
»Wie haben deine Kollegen herausgefunden, was du getan hast?«
»Gar nicht. Sie haben nur zwei und zwei zusammengezählt. Ein hochverschuldeter Bulle kann sich mal eben einen Therapieplatz für Fräulein Tochter für hunderttausend Schweizer Franken leisten. Zwei Kilo Koks werden auf neuen, bisher unbekannten Kanälen auf den Markt gebracht. Beweisen konnten sie mir nichts. Aber alle wußten es.«
Gina räusperte sich. »Von Margots zweitem Mann, Jennifers Stiefvater, hast du in der Vergangenheitsform gesprochen.«
»Am Tag nach Jennifers Beisetzung bin ich nach Berlin gefahren, um mir Olaf vorzunehmen. Er hatte Glück. Zwei Tage vorher ist er unter ’ne S-Bahn gekommen.«
»Allmächtiger!«
Eine lange Zeit saßen wir einfach nur da und schwiegen. Es wurde bereits dunkel. Als Gina zum Zündschlüssel griff, sah ich, daß ihre Hand zitterte.
»Laß mich fahren«, sagte ich.
»Bist du denn ruhiger?«
»So ruhig wie schon lange nicht mehr.«
Als wir durchs Kylltal kurvten, sagte sie: »Du solltest dir von einem Psychologen helfen lassen.«
»An meinen Kopf laß ich nur Friseur und Zahnarzt.«
»Ich meine es ernst, Tom. Ich glaube nicht, daß man mit so etwas ohne professionelle Hilfe fertig wird.«
»Wenn ich beschäftigt bin, denk ich nicht daran. Alles weitere kann nur die Zeit bringen.«
»Was verstehst du unter Beschäftigung? Josefs Mörder zu finden?«
»Zum Beispiel.«
»Dann willst du also weitermachen?«
»Schon morgen«, sagte ich und erzählte ihr, was ich von Beate erfahren hatte.
Kapitel 24
Kyllburg
Marianne Kalff war dermaßen aufgeregt, daß sie keine Luft bekam und sich erst einmal setzen mußte. Während ich ihren Hut und Mantel zur Garderobe brachte, reichte Gina ihr ein Glas Wasser.
»In kleinen Schlucken trinken, Marianne.«
Frau Kalff nickte, nahm einen großen Schluck und erlitt einen bösen und sehr undamenhaften Hustenanfall. Trotzdem ging es ihr danach sichtlich besser. Kyllburger Wasser als Sedativum, wenn das keine Marktlücke war.
»Was ist passiert?« fragte Gina. »Ist was mit Sophie?«
»Nein, nein, alles in Ordnung«, sagte Frau Kalff. »Im Gegenteil. Zwei Polizisten waren heute in aller Herrgottsfrühe da. Sie haben eine Spur von dem Fahrer.«
Bei mir fiel der Groschen erst, als Gina die Hand vor den Mund schlug und sagte: »Mein Gott, und das nach über einem Jahr. Aber erzähl doch.«
»Wie gesagt, heute morgen klingelt’s, und als ich aufmache, stehen da dieselben Kriminalbeamten, die damals den Fall bearbeitet haben. Ich hab nur nicht gedacht, daß sie deswegen gekommen sind, sondern es sei was mit dem Hans. Der hatte nämlich noch reichlich Alkohol im Blut, als er zur Arbeit gefahren ist.«
Sie war noch immer so nervös, daß sie an der Stelle beinahe geweint hätte. Aber ein weiterer Schluck Wasser half auch über diese Klippe.
»Die Beamten haben mir erzählt, daß sie drüben bei Manderscheid einen Landstreicher aufgegriffen haben, der wegen verschiedener Diebstähle gesucht wurde. Mal hat er ein Huhn gestohlen, mal ein Hemd von der Leine, einmal auch ein Fahrrad, solche Sachen eben. Um mildernde Umstände zu bekommen, hat der Mann nun erzählt, er hätte im März des vergangenen Jahres den Wagen gesehen, mit
Weitere Kostenlose Bücher