Rittermord
vier sangen und schunkelten zu den Kuno-Songs, die pausenlos aus Lautsprechern rieselten.
Ich orderte gegrillten Lachs und gemischten Salat, eine Flasche Sancerre und zum Anwärmen einen doppelten Wodka-Martini. Die Preise waren gesalzen. Dann wollte ich noch wissen, um wie viel Uhr der große Meister auftrat.
»Pünktlich um einundzwanzig Uhr«, sagte der Kellner.
Bis dahin war es noch fast eine Stunde. Jetzt ärgerte ich mich doch, daß ich die Beretta Beate vorgezogen hatte. Mit Pistolen plaudert es sich schlecht.
Der Verdruß währte aber nicht lange. Beate kam zwar nicht, dafür aber ein anderer Bekannter. Ohne zu fragen setzte er sich mir gegenüber. Er trug wie immer einen Jeansanzug, diesmal allerdings mit Hemd und Krawatte.
»Vielleicht sollte ich mich dir mal vorstellen«, sagte mein Duzfreund aus dem Hühnerstall. »Henk van der Wimst, freier Journalist.«
»Thomas Henschel«, sagte ich. »Freier Polizist.«
Kapitel 25
»Was schreibst du?« fragte ich. »Ein Handbuch für Eierdiebe?«
Van der Wimst wartete, bis der Kellner meinen Aperitif serviert hatte, und bestellte für sich eine Cola.
»Ich schreibe tatsächlich über Eier«, sagte er, und vor lauter Ironie blitzten seine Augen. »Wie bist du nur so schnell darauf gekommen?«
»Ich bin ein alter Ratekönig.«
Die Koffeinbrause wurde gebracht, und wir prosteten uns zu.
»Ich wüßte gerne mehr über dich«, sagte van der Wimst. »Macht es dir was aus, mir etwas über dich zu erzählen?«
»Wozu sollte das gut sein?«
»Ich habe so ein unbestimmtes Gefühl, daß wir beide ähnliche Interessen verfolgen. Vielleicht nicht die gleichen – aber sagen wir mal – verwandte.«
»Woraus schließt du das?«
»Wir begegnen uns immer wieder an exponierten Orten. Wo ich arbeite und recherchiere, da tauchst du auch auf. Ich glaube nicht, daß das Zufall ist.«
»Hier bin ich lediglich zum Essen. Und du?«
»Business. Wenn auch anders als in dem Öko-Geschäft und auf dem Hof. Du brauchst also keine Angst zu haben, daß ich mir hier Spiegeleier bestelle und in die Jackentasche stopfe.«
»Solange es nicht meine Jacke ist, soll’s mir egal sein.«
Der Ober brachte den Sancerre und entkorkte die Flasche. Ich kostete. Der Wein war vorzüglich.
»Den solltest du probieren«, sagte ich. »Er ist ausgezeichnet.«
»Ich trinke keinen Alkohol. Was ist, vertraust du mir?«
»Ich will ehrlich sein. Ich finde dich nicht besonders sympathisch. Das hat aber nichts damit zu tun, daß du Holländer bist.«
Er grinste, was ihn mir gleich noch unangenehmer machte. »Mein Angebot bezog sich lediglich auf den Austausch von Informationen, nicht von Körperflüssigkeiten. Ich finde dich auch nicht sexy, aber ich denke, wir könnten einander nützlich sein.«
Ein halbes Glas Wein lang dachte ich darüber nach. Dann sagte ich: »Machen wir’s Zug um Zug. Ich gebe dir ein paar Informationen, dann du mir, dann wieder ich dir und so weiter. Einverstanden?«
»So könnte es gehen.«
Ich erzählte ihm, daß der Besitzer des Ökoshops ermordet worden war und daß die Verlobte des Ermordeten meine Stiefschwester sei. Ferner, daß die Kripo in dem Fall noch im dunkeln tappte und ich als Ex-Bulle deshalb Ermittlungen auf eigene Faust anstellte.
»Ist das alles?« fragte er.
»Fürs erste. Wir sollten uns Zeit nehmen. Vertrauen baut man nicht im Raketentempo auf. Jetzt bist du dran.«
Sein Stil war epischer als meiner. Er redete doppelt solange, aber deswegen erfuhr ich über ihn nicht mehr, als er über mich erfahren hatte. Nach ein paar Jahren beim De Telegraaf arbeitete er nun als freier Journalist. Seine Spezialität war das Aufdecken von Umweltskandalen. Angeblich war er der erste, der damals spitzgekriegt hatte, daß Shell die Brent Star versenken wollte. Ich tat mich etwas schwer mit der Vorstellung, wie man die Umwelt mit Eiern schädigen konnte. Das sagte ich ihm auch.
»Hast du schon mal von Legebatterien gehört?« fragte er mich. »Von sogenannten Hühner-KZ?«
»Hab ich. Tierquälerei. Sind die mittlerweile nicht verboten?«
»Ha!« Sein Lacher kam so überraschend und laut wie eine Backpfeife im Dunkeln. Nicht nur ich erschrak, auch die vier munteren Damen verstummten. »Verboten! Über neunzig Prozent aller in der EU produzierten Eier stammen aus KZ-Haltung.«
»Zugegeben, das ist schrecklich«, sagte ich. »Aber wenn diese Batterien legal sind, was gibt es dann da aufzudecken?«
Sein Grinsen wurde breiter. Ihn freute offenkundig, daß er mein
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