Rittermord
UV-Lampe und meine Bergsteigerausrüstung.«
»Holländer und Bergsteiger?«
»Die Witze kenn ich alle. Halt bloß die Klappe.« Er sah in beide Spiegel und drehte sich auch noch um. »Du, die sind verschwunden.«
Ich kontrollierte das. Er hatte recht. Irgendwo in Tondorf war der BMW abgebogen. Sollte ich mich derart geirrt haben?
»Fahr auf die Autobahn und die nächste Abfahrt wieder runter«, sagte ich. »Das ist zwar ein Umweg, aber sicherer.«
Während der nächsten Viertelstunde blickte ich mehr über die Schulter als nach vorn, aber es blieb dabei. Niemand hing mehr an uns dran.
*
Ich kam mir vor wie ein Sherpa. Van der Wimst marschierte vorneweg, und ich schleppte ihm seine Ausrüstung hinterher. Gut, er trug auch was, aber ich hatte die schweren Klamotten erwischt – jede Menge Seile mit Karabinerhaken, zwei Eispickel und diese blöde UV-Lampe. Wozu er die brauchte, war mir ohnehin rätselhaft.
»Weißt du, ob sie hier einen Hund haben?« fragte er.
»Da beim letzten Mal keiner da war, wird’s jetzt auch keinen geben. Aber hier läuft so’n alter Knabe mit ’ner Mistforke rum, auf den solltest du achten.«
»Um die Zeit noch?«
»Wie spät ist es denn?«
»Kurz nach Mitternacht.«
»Ich weiß nicht, wann der Kerl ins Bett geht, ’n bißchen Vorsicht kann nicht schaden, denk ich.«
Dieses Mal näherten wir uns dem Hof von der anderen Seite, quasi aus Richtung Frohngau. Für mich war der Weg neu, van der Wimst hatte ihn schon bei seinem ersten Einbruch genommen. Der Boden war naß und lehmig und blieb an den Sohlen kleben. Schon nach wenigen Metern hatte ich das Gefühl, auf Plateausohlen aus Blei zu laufen.
Dazu war es stockfinster. Eine tiefhängende Wolkenschicht hatte Mond und Sterne ausgesperrt, und wegen der Ungesetzlichkeit unseres Vorhabens verzichteten wir auf Scheinwerfer und Fackeln.
Das erste Hindernis war ein Weidezaun, den wir übersteigen mußten. Ein Klacks im Verhältnis zu dem vier Meter hohen, mit Stacheldraht gekrönten Maschendrahtzaun, der hundert Meter weiter kam.
»Und jetzt?« fragte ich.
Van der Wimst spazierte den Zaun entlang und rüttelte immer wieder an den Maschen. Nach wenigen Schritten hatte er die Stelle gefunden. Er hatte den Zaun bei seinem ersten Besuch an einem der Pfosten durchtrennt und nur locker wieder verdrahtet. Die Lücke war groß genug, daß wir bequem durchkriechen konnten.
Wir waren nach der Aktion noch nicht weit gekommen, als ich plötzlich innehielt. Unmittelbar vor uns war irgendwas durch die Luft gesaust.
»Was ist los?« fragte van der Wimst.
»Hörst du das nicht? Da – schon wieder.«
»Das sind die Windmühlen. Nun komm schon.«
Obwohl ich jetzt Bescheid wußte, blieb mir die Sache unheimlich. Es war dermaßen dunkel, daß man die Türme erst wahrnahm, wenn man unmittelbar vor ihnen stand. Von den Rotoren war überhaupt nichts zu sehen. Von ihnen vernahm man nur dieses gespenstische ›wusch-wusch-wusch‹. Keine fünf Minuten später waren wir am Ziel.
»Wo steigen wir ein?« fragte ich. »Durch die Tür?«
»Keine Chance. Es geht nur übers Dach.«
Beplankt war die Halle mit Blech, darunter saß vermutlich ein Stahlgerippe. Als ich leise gegen die Wand klopfte, klang es dumpf.
»Das ist die Isolierung«, sagte van der Wimst.
Er hatte inzwischen ein Gurtsystem angelegt, wie es auch von Fallschirmspringern getragen wird. Durch heftiges Rucken und Reißen an allen Enden überprüfte er, ob es auch hielt. Dann zog er Handschuhe an und griff nach dem Seil mit dem Wurfanker.
»Du wartest hier. Wenn ich oben bin, hängst du die Tasche ans Seil, damit ich sie raufziehen kann. Alles andere bringst du zum Eingang. Kapiert?«
Ich nickte, obwohl mir weder der Ton noch sein Rumkommandieren als solches gefiel. Aber so ist das nun mal, wenn einem gewisse Fähigkeiten abgehen. Seilklettern konnte ich noch nie.
Der Wurfanker war zwar kunstoffüberzogen, aber es rumste doch beachtlich, als er beim Hochwerfen auf dem Dach aufschlug. Van der Wimst zog am Seil, bis es straff war, und hängte sich probehalber mal dran. Dann klinkte er seinen Karabinerhaken ein und turnte hoch. Das geschah in einem Affentempo. Wer auch immer die Witze über kraxelnde Holländer in die Welt gesetzt hatte, ihn hatte derjenige nicht gekannt.
Van der Wimst verschwand hinter der Dachkante, und ich befestigte die Tasche am Seil. Für einen Moment war sein Gesicht als heller Fleck zu sehen, und er zog die Tasche hoch. Ich klemmte mir den restlichen Kram unter
Weitere Kostenlose Bücher