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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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und Größe waren genau richtig. Caffery packte ihn und zog sich zurück in den Windschatten des Hauses. Den Knüppel mit zitternden Armen vor sich ausgestreckt, blieb er dort stehen. Das Schreien hatte aufgehört; er schob sich an das nächste Fenster heran und spitzte die Ohren, um herauszufinden, was da vorging. Er ließ sich in die Hocke sinken, bewegte sich im Krebsgang unter dem Fenstersims entlang, richtete sich dann wieder auf und lief bis zur Ecke. Dort presste er sich mit dem Rücken an die Wand und spähte um die Ecke.
    Eine Wolke hatte sich vor die Sonne geschoben, und die Vorderseite des Hauses lag im Schatten. Der graue Rauputz wirkte stellenweise narbig, als sei er von Granatsplittern getroffen worden. Die Katze war noch da und putzte sich das Gesicht, als wäre nichts geschehen. Ungefähr drei Meter hinter ihr spannten sich Plastikplanen, die allem Anschein nach die Vorderveranda verhüllten. Stapel von Ziegelsteinen fixierten sie. Schwer atmend schlich Caffery, den Holzstiel fest umklammernd, darauf zu. 

    An der Veranda angekommen, lüpfte er vorsichtig den Rand der Plane. Von hier aus konnte er sehen, dass es keine Haustür gab. Stattdessen war die Öffnung ungeschickt mit blauer Folie verschlossen. Das Logo des Herstellers war in Weiß daraufgedruckt. Vorsichtig, um kein Geräusch zu machen, duckte er sich unter der Plastikplane hindurch und drückte einen Finger in die Folie. Sie gab ein wenig nach. Er wischte sich die Spinnweben vom Gesicht und aus den Haaren und blieb mit angehaltenem Atem dicht davor stehen. Das Schreien hatte aufgehört, und er vernahm gar nichts - kein Geräusch, keine Bewegung. Eine Stimme in seinem Hinterkopf drängte ihn, sich zurückzuziehen, zurück, du Idiot. .. aber stattdessen zog er den Autoschlüssel aus der Tasche und schnitt mit dem kleinen Schweizer Messer am Schlüsselring ein Loch in die blaue Folie.
    Als die Klinge sich hineinbohrte, hielt er inne und stellte sich vor, wie es von innen aussehen würde: eine kleine Beule und dann die Messerspitze, blinkend vielleicht. Sein Herz klopfte bis zum Hals, und der Schweiß brach ihm aus. Es juckte an den Seiten und auf dem Rücken. Er zählte bis zehn, und als niemand herausgestürmt kam, zog er das Messer glatt herunter und machte einen langen, geraden Schnitt in die Folie. Erschrocken von dem Geräusch wich er zurück.
    Als sich nach einer Minute drinnen immer noch nichts rührte, kauerte er sich vor den Schlitz, schob den Finger hindurch und zog ihn auf, sodass er ein paar Schritte weit ins halbdunkle Innere spähen und lauschen konnte. Der Geruch von Vernachlässigung und Verfall wehte heraus, der Geruch von feuchtem Zement und stehendem Wasser. Er hörte ein träges Flattern wie von Schwingen, die irgendwo im Dunkeln langsam schlugen. Sonst nur gespenstische Stille.
    Er bohrte den Holzstiel durch den Schlitz und schob die Folie zur Seite. Kühlere Luft wehte heraus und strich über seine Haut. Vorsichtig schob er einen Fuß hindurch, und mit 
    einer schnellen Seitwärtsdrehung schlüpfte er ganz hinein und ging sofort in die Hocke. Er hielt den Atem an und lauschte wieder. Es dauerte ein paar Sekunden, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, aber dann erkannte er, was das flatternde Geräusch hervorrief: Jede Tür, die von hier wegführte, war mit weißen Plastikplanen verhängt, an den Seiten geschlitzt und oben mit Klebstreifen befestigt, sodass sie sich in unsichtbaren Luftströmen hoben und blähten. Bei dieser Totenstille und abgestandenen Luft musste er an Leichenkammern denken.
    Langsam ging er auf die erste Plane zu und lugte hindurch: Was er sah, war einmal ein Wirtschaftsraum gewesen. Die Waschmaschine stand noch in der Ecke, aber sie schien seit einer Weile nicht mehr benutzt worden zu sein. Bücherkisten stapelten sich davor, und auf dem Bügelbrett lagen schmutzige Küchentücher. Hinter der nächsten Plane fand er eine Küche: Essensreste auf dem Tisch, Zeitschriftenstapel überall, und ein Meerschweinchen, das mit glitzernden Augen aus seinem Käfig auf der Arbeitsplatte starrte. Er wollte eben durch die nächste Plane gehen, als dahinter die Schreie wieder anfingen.
    50
    18. Mai
    Weglaufen bis ans Ende der Welt... Weglaufen bis ans Ende der Welt...
    Er liegt auf dem Sofa, seine Augen bewegen sich unter den Lidern, und Skinnys Worte bilden Muster in Mossys Kopf und wiederholen sich in langen, fieberhaften Ketten. Weglaufen bis ans Ende der Welt...  

    Er ist zu sehr in seinen

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